"Hammett brachte den Mord zu der Sorte von Menschen zurück, die mit wirklichen Gründen morden, nicht nur, um dem Autor eine Leiche zu liefern, und mit realistischen Gegenständen, nicht mit handgearbeiteten Duellpistolen, Curare und tropischen Fischen. Er brachte diese Menschen aufs Papier, wie sie waren, und er ließ sie in der Sprache reden und denken, für die ihnen unter solchen Umständen der Schnabel gewachsen war." (1) urteilt Raymond Chandler in seinem Essay "Die simple Kunst des Mordes" über seinen Kollegen Samuel Dashiell Hammett.
Dashiell Hammett erblickte am 27. Mai 1894 im St. Mary's County in Maryland/USA das Licht dieser Welt. Bereits mit vierzehn verließ er die High School und schlug sich als Gelegenheitsarbeiter bei Eisenbahnen, Börsenmaklern und in Fabriken durch sein Leben. Zu Beginn seines dritten Lebensjahrzehnts fand er einen Job bei der Privatdetektei Pinkerton, für die er, abgesehen von seinem etwa einjährigen Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg und längeren Krankenhausaufenthalten (die von einer Lungenerkrankung verursacht wurden, die er sich als Soldat zugezogen hatte), bis 1921/1922 arbeitete.
In diesen Jahren betätigte sich Hammett offenbar erstmals als Schriftsteller. Seine Lebensgefährtin Lillian Hellman schreibt darüber: "Ich weiß nicht, wann Hammett beschloß, mit dem Schreiben zu beginnen; aber ich weiß, daß er in den zwanziger Jahren zu schreiben begann, als er die Behandlung in den Militärkrankenhäusern hinter sich hatte und sich mit Frau und Tochter (...) in San Franzisko niederließ." (2)
Dazu kam ein regelrechtes Schlüsselerlebnis, von dem Lillian Hellman ebenfalls zu berichten weiß: "Die Versicherungsgesellschaft war eine Klientin von Pinkerton, und so erwarteten Hammett und ein weiterer Detektiv das Schiff beim Anlegen an der Pier (...) und durchsuchten das Schiff, konnten das Gold jedoch nicht finden. Sie wußten, das Gold mußte auf dem Schiff sein, und deshalb entschied die Agentur, daß Hammett an Bord bleiben sollte, wenn das Schiff wieder heimwärts fuhr. (...) Ein paar Stunden vor dem Auslaufen schlug der Leiter der Agentur vor, sie sollten noch eine letzte, verzweifelte Suchaktion starten. Hammett erkletterte einen Kamin, den er schon einige Male untersucht hatte, blicke hinein und schrie: 'Sie haben das Versteck geändert! Hier liegt das Gold!' Er erzählte mir, kaum daß die Worte aus seinem Mund gewesen seien, habe er sich gesagt: 'Du hast nicht Grips genug, um Detektiv zu sein. Warum konntest du das Gold nicht erst nach einem Tag auf See entdecken?' Er angelte das Gold heraus, brachte es ins Büro von Pinkerton und nahm noch am selben Nachmittag seinen Abschied." (3)

Hammetts frühere Kurzgeschichten, seine Arbeiten aus den zwanziger und dem ersten Drittel der dreißiger Jahre, sind kürzlich in den Goldmann Taschenbüchern DER KOMPLIZE und DER SCHWARZE HUT erschienen. Es sind relativ kurze Geschichten, die über einen Umfang von zwanzig bis dreißig Seiten nicht hinausgehen (und noch dazu, im Gegensatz zu den Diogenes Taschenbüchern, großzügig gesetzt sind). Ausnahmen bilden lediglich die Stories "Der Komplize" und "Wem das Glück lacht..."
Beide Kurzgeschichten wirken ausgesprochen konstruiert. In "Der Komplize" will sich ein Gangsterpärchen die Erbschaft einer jungen Frau sichern; der Mann macht der Erbin Glauben, sie habe den Erblasser getötet und heiratet sie. Ein früherer Verehrer beauftragt den Privatdetektiv Alexander Rush, sich mit der Angelegenheit zu befassen. Diese Story ist jedoch deshalb interessant, weil es sich bei Alexander Rush um einen der wenigen Vorgänger des namenlosen Detektivs der "Continental Detective Agency" (4) handelt. Der Protagonist aus "Wem das Glück lacht..." ist dagegen ein Berufsspieler, der versucht, eine reiche russische Aristokratin aus der Gewalt ihres Onkels zu befreien.
DER KOMPLIZE und DER SCHWARZE HUT enthalten bereits die ersten Fälle des namenlosen Detektivs der "Continental Detective Agency". In "Glitschige Finger" klärt er den Mord an einem Geschäftsmann auf, der von seinem Erpresser getötet wurde, als er Widerstand leistete. Als "Hotelschnüffler" wird er mit einem dreifachen Mord konfrontiert, den ein Gangster versehentlich (sic!) beging. Dem Mord an seinen Kollegen geht er in "Wer erschoß Bob Teal?" nach und stößt erneut auf einen betrügerischen Geschäftsmann. Mit Betrug und Brandstiftung bekommt er es in "Feuerteufel" zu tun, während er "Nur eine Stunde" benötigt, um einen Mordfall aufzuklären und Geldfälschern auf die Spur zu kommen. "Der schwarze Hut, der gar nicht da war", ähnelt "Wer erschoß Bob Teal" - auch in "Der schwarze Hut" mordet und betrügt ein Geschäftsmann.
Eher literarische Skizzen als Kurzgeschichten sind "Nachtschatten", "Der Richter lachte zuletzt", "Die ganz große Kohle", "Der Haarige", "Albert Pastor kommt nach Hause", "Angst", "Urlaub" und "Der Friseur und seine Frau" ähnlich. Es sind überwiegend kürzere Arbeiten, die zum Großteil aus Monologen der Protagonisten bestehen. Hintergrund von "Nachtschatten" ist der Rassismus in den USA; in "Der Richter lachte zuletzt" werden zwei superschlaue Gannefs ausgetrickst. Albert Pastor treibt sogenannte Schutzgelder ein; "Angst" hat der Protagonist dieser Story von Schußwaffen. "Urlaub" erhält ein Patient des "Krankenhauses Nr. 64 des öffentlichen Gesundheitsdienstes der Vereinigten Staaten" (5)". In "Der Friseur und seine Frau" geht letztere dem ersten verlustig, weil es der Friseur mit seiner vermeintlichen Männlichkeit zu sehr übertreibt.
Witzig sind "Die ganz große Kohle" und "Der Haarige". "Die ganz große Kohle" sind 250.000 Dollar, in deren Besitz der (unbeteiligte) Protagonist bei einem Banküberfall gerät, was ihn fürchterlich nervös macht. "Der Haarige" agiert dagegen auf irgendeiner Südseeinsel, wo er einen Eingeborenen verprügelt, dessen Frau er ihm zuvor abspenstig macht hatte. Darauf rückt der Familienclan an und rasiert den "Haarigen" - komplett: "Ein Gorilla mit einem Mäusekopf hätte nicht komischer ausgesehen als Levison ohne seine Haare (...)." (6)
Aus DER SCHWARZE HUT bleiben nur noch "Ein Mann namens Thin" und "Der Mann, der im Weg stand" zu erwähnen. Thin ist ein dichtender Privatdetektiv, der auch nicht mehr als eine Stunde benötigt, um einen Juwelendiebstahl aufzuklären (die Gangster, die Hammett in seinen frühen Geschichten schildert, scheinen nicht immer besonders intelligent zu sein...). "Der Mann, der im Weg stand" ist ein Erpresser, sein Opfer ein Senator, der einen Freund beauftragt, jenen Erpresser aus dem Weg zu räumen. Das erledigt der Killer auch, freilich nur, um den Senator selbst schröpfen zu können.
Die Diogenes Taschenbücher FLIEGENPAPIER, FRACHT FÜR CHINA, DAS GROSSE UMLEGEN, DAS HAUS IN DER TURK STREET und DAS DINGSBUMS KÜKEN enthalten (vor einer Geschichte abgesehen) die Fälle des dicken, kleinen, etwa vierzigjährigen namenlosen Continental-Detektivs aus San Franzisko. Es sind durchweg längere und sorgfältig konstruierte Kurzgeschichten. Ob Hammett darin seine Erfahrungen als Pinkerton-Detektiv verarbeitet, wird (für den Leser) Spekulation bleiben müssen. Chandler schrieb über den Realismus von Kriminalromanen immerhin: "Die Mittel, die er (der Autor) anwendet, sind realistisch in dem Sinne, daß solche Dinge Leuten wie diesen und an Orten wie diesen allerdings widerfahren; aber dieser Realismus ist nur oberflächlich; das Gefühlspotential ist überladen und überlastet, die Kompression von Zeit und Ereignis tut der Wahrscheinlichkeit Gewalt an, und obwohl solche Dinge passieren, passieren sie doch nicht in so rascher Folge, in so engem logischen Rahmen und in einer so fest miteinander verknüpften Gruppe Menschen." (7)
FLIEGENPAPIER umfaßt fünf Kurzgeschichten. "Wie Couffignal ausgeräumt wurde" ist die Schilderung des bleireichen, aber dilettantischen Versuchs einer Gangstertruppe, eine komplette Insel auszurauben. "Fliegenpapier" und "Glut am Gesicht" ähneln sich, weil in ihnen der Continental-Detektiv auf die Suche nach den verschwundenen Töchtern der Auftraggeber geschickt wird (die eine hat sich selbst umgebracht, weil sie sich an aus Fliegenpapier gewonnenes Arsen gewöhnen wollte, die andere, weil sie einem Pornofotografen in die Hände fiel). "Königsmacher" mutet parodistisch an; der Detektiv wird in einen Ministaat auf dem Balkan geschickt, um einem Millionärssöhnchen unter die Arme zu greifen, der dort in eine Revolution verwickelt wird. "Ein starkes Stück" variiert erneut das Thema der verschwundenen Tochter; immerhin wird diese nicht ermordet, sondern will ihren Vater lediglich um ein hübsches Sümmchen erleichtern.
Die "Fracht für China" und die, die durch den "Corkscrew Canon" geht, ist Schmuggelware (Alkohol, Waffen und Menschen), womit sich auch die Geschichten in FRACHT FÜR CHINA thematisch ähnlich sind. In die "Fracht für China" ist die chinesische Kolonie von San Franzisko verwickelt, während es im "Corkscrew Canon" noch wie weiland im Wilden Westen zugeht, was auch diese Story parodistisch erscheinen läßt. Ansonsten enthält FRACHT FÜR CHINA nur noch das Romanfragment "Tulip", auf das ich später noch eingehen will.
"Das große Umlegen" trägt ebenfalls parodistische Züge. Hammett hat darin offensichtlich die Klischees der Kriminalliteratur seiner Zeit überzeichnet: Etwa 150 Gangster überfallen zwei Großbanken, schießen die Polizei zusammen und bringen sich anschließend gegenseitig um. "$ 106.000 Blutgeld" setzt den Handlungsfaden aus "Das große Umlegen" fort, da der Initiator des Superbankraubs seinerzeit entkam, nunmehr aber gefaßt werden kann. Die dritte Geschichte in DAS GROSSE UMLEGEN, "Der zehnte Hinweis", ist vom Plot her schwächer. Ein Betrügerpaar will einen Millionär ausnehmen; als sich die Frau jedoch in ihn verliebt und ihn heiraten will, wird der Millionär von ihrem Komplizen getötet.
Die Kurzgeschichte "$ 106.000 Blutgeld" ist die erste, in der Hammetts namenloser Detektiv nicht bloß an der Aufklärung eines Verbrechens interessiert ist, egal, was er dabei an das Tageslicht fördert. Als nämlich offenbar wird, daß sich ein anderer Continental-Detektiv auf die Seite der Gangster geschlagen hat, provoziert Hammetts Protagonist den Tod seines Kollegen, um die Detektivagentur vor negativen Schlagzeilen zu schützen. In "Wie Couffignal ausgeräumt wurde" hatte Hammett seinen Detektiv noch über sich sagen lassen: "'Ich bin Detektiv, weil mir zufällig diese Arbeit zusagt. (...) meine Befriedigung bestand darin, daß ich Gangster gejagt und Rätsel gelöst habe. Das ist der einzige Sport, von dem ich etwas verstehe, und ich kann mir keine angenehmere Zukunft vorstellen als weitere dingsundzwanzig ebenso verbrachte Jahre.'" (8)
DAS HAUS IN DER TURK STREET beinhaltet ebenfalls drei Kurzgeschichten. In "Das Goldene Hufeisen" macht sich der Detektiv auf die Suche nach dem verschwundenen Ehemann seiner Auftraggeberin, findet und entlarvt ihn als Betrüger und Mörder, kann ihn aber nur durch einen Trick, indem er ihm einen Selbstmord als Mord anhängt, an den Galgen bringen. Versehentlich gerät er in einen Diebstahlsfall, als er "Das Haus in der Turk Street" betritt, der damit endet, daß sich die Ganoven bis auf eine Überlebende gegenseitig umbringen. Diese Kurzgeschichte setzt Hammett nach dem Muster seiner Stories "Das große Umlegen" und "$ 106.000 Blutgeld" fort, indem er seinen Detektiv in "Das Mädchen mit den silbernen Augen" auf die Überlebende der Auseinandersetzung in der Turk Street treffen läßt, die er ursprünglich nur deshalb suchte, weil sie ihren Geliebten verlassen hatte. In diesen (vier) Kurzgeschichten deutet sich Hammetts Roman DER FLUCH DES HAUSES DAIN an.
"Das Dingsbums Küken" ähnelt der Story "Das Haus in der Turk Street". Der Continental-Detektiv stößt zufällig auf das "Das Dingsbums Küken", einen Revolverhelden, der zusammen mit zwei Komplizen Edelsteine stahl. Ihre Auseinandersetzung verläuft bleihaltig und blutig, aber diesmal entkommt keiner von ihnen. Interessent ist ein Absatz, der wenig mit der Handlung zu tun, aber eine Parallele zwischen dem Leben des Detektivs und Hammetts offenbart: "Ein oder zwei Wochen (...) verließ ich die Bostener Zweigstelle der Continental Detektei, um das Leben bei der Armee auszuprobieren. Als der Krieg vorbei war, kehrte ich zurück zur Löhnungsliste der Detektiv-Agentur in Chicago, bliebt dort zwei Jahre und wurde dann nach San Francisco versetzt." (9)
Die weiteren Stories in DAS DINGSBUMS KÜKEN handeln von Morden. "Der Main-Tod" stellt sich als Selbstmord heraus, während "Der Farewell-Mord" aus Habgier begangen und ausgesprochen so geschickt durchgeführt wird, daß er nicht aufgeklärt werden könnte, würde nicht, natürlich auch aus Habgier, der Mörder von seinem Komplizen erpreßt.
"Der Main-Tod" und "Der Farewell-Mord" fallen auf, weil der Continental-Detektiv bereit ist, die Fälle zu manipulieren: Im ersten verbirgt er das Verhältnis zwischen der Frau seines Auftraggebers und dem Selbstmörder (ein ausgesprochen menschlich-sentimentaler Zug, der sich in ähnlicher Form in keiner der übrigen Geschichten findet), während er im zweiten willens ist, einen Meineid zu schwören, um den Mörder an den Galgen zu bringen.
Hammetts Kurzgeschichten über den namenlosen Continental-Detektiv sind aktionsreich, wegen des prägnanten Stils, der mir noch knapper als der Chandlers scheint, jedoch nicht hektisch und oberflächlich. Reizvoll sind diese Arbeiten natürlich auch durch ihre Erzählperspektive (Ich-Erzähler). Freilich strapaziert Hammett mitunter die Geduld seiner Leser, mit seitenlangen Erklärungen zum Ende mancher Kurzgeschichten und wiederkehrenden, Handlungsmustern. Verfaßt hat Hammett übrigens "mehr als 50 Kurzgeschichten" (10), von den erst etwa 35 in Deutschland erschienen sind.

ROTE ERNTE, erschienen 1929 als Buch (zuvor in Fortsetzung im Magazin BLACK MASK abgedruckt), ist Hammetts erster Roman. Der Titel ist sehr treffend: Ursprünglich nur damit betraut, den Mörder des Sohnes seines Auftraggebers Elihu Willsson zu suchen, säubert der Continental-Detektiv die Stadt Peaceville von der herrschenden Gangster-Clique, indem er die Gannefs gegeneinander ausspielt, was nicht ohne einige Dutzend Tote abgeht.
Feststellen läßt sich aber auch ein gewisser gesellschaftskritischer Unterton: "Der Streik dauerte acht Monate. (...) Der alte Elhi heuerte sich für seinen Beitrag Pistoleros, Streikbrecher, die Nationalgarde und sogar regelrechte Armeeinheiten. Als der letzte Schädel eingeschlagen (...), glich die Gewerkschaftsbewegung einem abgebrannten Knallfrosch. Nur (...) hatte der alte Elihu in italienischer Geschichte geschwänzt. Er gewann den Streik, aber er verlor seine Macht über Stadt und Staat. Als der Kampf aus war, konnte er sie nicht wieder loswerden." (11) Hammetts Lebensgefährtin Lillian Hellman meint zu seinen politischen Ansichten, "mit großer Sicherheit war er (Hammett) jedenfalls Marxist." (12)
ROTE ERNTE mag mit seinem Handlungsreichtum und der Unmenge an Toten übertrieben erscheinen, das aber sorgt für eine kurzweilige und fesselnde Lektüre. Hammett thematisiert in ROTE ERNTE eine persönliche Furcht, die Steven Marcus in seinem Nachwort zu DAS DINGSBUMS KÜKEN ausgemacht hat: "Die zwanziger Jahre waren auch die große Zeit des organisierten Verbrechens und der organisierten Verbrecherbanden in Amerika, und ein Gedanke, der Hammett nicht losließ, war die Vorstellung, daß organisiertes Verbrechen oder organisierte Banden eine ganze Gesellschaft übernehmen und führen, als wäre sie eine normale Gesellschaft, die wie gewöhnlich ihren Geschäften nachgeht." (13) Chandler-Biograph Frank MacShane erklärt, daß das komplette Krimigenre in Literatur und Film auf jener Furcht beruht: "Wie pulps und die hartgesottenen Detektivstories der dreißiger und vierziger Jahre haben die Mord- und Kriminalfilme ihre Wurzeln in der Prohibition und dem Aufbau des organisierten Verbrechertums überall in den Vereinigten Staaten." (14)
Hammett stellt in ROTE ERNTE (auch) seinen Detektiv zwiespältig dar, ein interessanter Aspekt des Romans. Der Detektiv erwacht aus seinem Drogen- und Alkoholrausch neben der Leiche einer Frau, die Mordwaffe, einen Eispicker, mit der Hand umklammernd. Freilich ist der Detektiv unschuldig; um das aber klarzustellen, muß Hammett die Plausibilität seiner Geschichte arg strapazieren, als er den tatsächlichen Mörder erklären läßt: "'Ich wollt nich der einzige sein, den's erwischt. Ich dreh ihr den Picker aus der Hand un stech'n in sie rein. Sie torkeln durch die Gegend, randvoll mit dem Zeug, beide Augen zu, als wollten Sie gegen die ganze Welt anrennen. Sie plumpst auf sie drauf. Sie haun hin, wälzen sich rum, bis Ihre Hand den Griff vom Picker zu fassen kriegt. Mit dem in der Hand gehn Sie wieder schlafen (...)'." (15)
Hammetts zweiter Roman, FLUCH DES HAUSES DAIN, erschien ebenfalls 1929 und besteht aus drei Kurzgeschichten, in denen der namenlose Continental-Detektiv jenem Fluch auf den Grund geht. Die Suche nach den gestohlenen Diamanten im ersten Teil, "Die Dains", führt zu der tödlichen Fortsetzung eines zuvor bereits mörderischen Familiendramas. Mr. Leggett, dem die Diamanten abhanden kamen, begeht Selbstmord, nachdem seine wahre Identität aufgedeckt wurde. Seine Frau tötet zwei Erpresser und kommt bei ihrem Fluchtversuch ums Leben. Leggetts Tochter Gabrielle überlebt; sie soll als fünfjähriges Kind jenen Mord begangen haben, für den Leggett, bevor er entkam und eine neue Identität annahm, verurteilt wurde.
Im zweiten und kürzesten Teil des Romans gerät Gabrielle in die Fänge einer obskuren Sekte, dem Tempel des Heiligen Gral, aus der sie der Detektiv natürlich befreit. Hammett gelingt in diesem kurzen Stück eine grandiose Szene, als er seinen Detektiv (unter dem Einfluß halluzinogener Drogen) mit einer göttlichen Erscheinung ringen läßt: "In dem schwarzen Zimmer, nicht mehr als einen Schritt vor mir, stand ein fahl leuchtendes, sich windendes Etwas, wie ein Körper, aber nicht aus Fleisch und Blut." (16) Leider ist die Szene mit ihrem Umfang von fünf Seiten zu lang, um sie komplett zu zitieren.
"Quesada", der dritte und längste Teil, spielt in und um der gleichnamigen Stadt. Gabrielle wird entführt, ihr Mann ermordet, es gibt weitere Tote. Was als Entführung zur Erpressung eines Lösegeldes erscheint, hilft dem Continental-Detektiv, dem FLUCH DES HAUSES DAIN dem Garaus zu machen: Als Drahtzieher in allen drei Fällen entpuppt der (mit dem Detektiv befreundete) Schriftsteller Fitzstephan, dem es darum ging, Gabrielle Leggett in seine Hände und in sein Bett zu bekommen. Ob dieses Motiv für eine Reihe von Morden plausibel genug ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Immerhin: Sehr unterhaltsam ist DER FLUCH DES HAUSES DAIN allemal.
Hammetts bekanntester Roman ist sicherlich DER MALTESER FALKE, erstmals erschienen 1930, auch wegen der gelungenen Verfilmung mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle. Der Roman beginnt mit einem harmlosen Auftrag, der Suche nach der Schwester der undurchsichtigen Miss Wonderly, der Sam Spades Partner Miles Archer das Leben kostet und Spade in den Kampf um den MALTESER FALKEN katapultiert, an dem neben Miss Wonderly bzw. Brigid O'Shaugnessy (ihre tatsächliche Identität) noch der fette Caspar Gutman, der meint, den Falken in der Gegenwart aufgespürt zu haben, und der Levantiner Joel Cairo beteiligt sind. Jener Falke ist eine goldene und mit Edelsteinen besetzte Figur, die der Malteser-Orden im 16. Jahrhundert für seinen Lehnsherrn anfertigen ließ und kurz darauf verloren ging.
Die Auflösung des Romans ist geradezu genial, narrt nämlich sowohl die Protagonisten als auch den Leser: Die Falkenfigur, die Brigid O'Shaugnessy, Gutman und Cairo verfolgten und schließlich Spade in die Hände fällt, entpuppt sich nach dem historischem Kontext, in den Hammett sie einbettete, und nach der Hoffnung auf den Reichtum, den die Protagonisten hegten, als Fälschung aus Blei...
DER MALTESER FALKE hebt sich mehrfach gegen die vorangegangenen Arbeiten Hammetts ab. Hammett verleiht dem Roman eine Dimension, die über die Aufklärung der "gewöhnlichen" Verbrechen, die er bislang schilderte, hinaus geht. Erstmals wird der Detektiv auch in der Lage versetzt, einen nicht unerheblichen Profit einzustreichen, weil ihm ein Anteil am Erlös aus der Verwertung des Falken angeboten wird - dem namenlosen Continental-Detektiv war es verboten, Belohnungen anzunehmen. Zwischen Spade und Brigid O'Shaugnessy entsteht eine Beziehung, die zu einem dramatischen Schlußkapitel führt, da Brigid O'Shaugnessy Spades Partner getötet hat. "Ich will nicht den Dummen für Dich spielen", beendet Spade ihren Disput und übergibt sie der Polizei. (17)
 Auch formal finden sich diverse Unterschiede. Nach seinen frühen Stories ist der DER MALTESER FALKE die erste Arbeit, in der Hammett keinen Ich-Erzähler einsetzt, dieser Stoff wäre aber in der ersten Person Singular vermutlich auch nicht überzeugend zu schildern gewesen... Hammetts Stil hat sich verändert; schrieb er zuvor knapp, prägnant und nur mit dem Ziel, die Handlung voranzutreiben, finden sich in DER MALTESER FALKEN ungewöhnlich zahlreiche und umfangreiche deskriptive Passagen, die aber zum Ende des Buches hin stetig abnehmen. Hammett gelingt es auch, die Geheimnisse und Hintergründe des Geschehens im Laufe des Romans nach und nach preiszugeben - in vielen seiner Stories und seiner Romane, so auch in DER FLUCH DES HAUSES DAIN, benötigt er zu diesem Zweck seitenlange Monologe seines Detektivs.
Hammetts Produktivität erschien Anfang der dreißiger Jahre unerschöpflich, denn nur ein Jahr nach DER MALTESER FALKE erschien sein nächstes Buch, DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL. DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL mutet als subtilere Version von ROTE ERNTE an, denn das Thema beider Romane ist der Machtkampf in einer Kleinstadt, der in DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL allerdings in einem erheblich geringeren Ausmaß als in ROTE ERNTE mit Blei ausgetragen wird.
Es stehen Wahlen bevor, in jenem kleinen, ungenannten Städtchen in der Nähe New Yorks, dem Handlungsschauplatz des Romans. Parteichef Paul Madvig ist zunächst sehr optimistisch, gerät jedoch unter Druck, als Taylor Henry, der Sohn des mit ihm verbündeten Senators, ermordet wird. Sein Gegner, der Nachtclubbesitzer Shad O'Rory, nutzt die Gelegenheit zu kriminellen Intrigen, seine politischen Freunde wenden sich in demselben Maße von ihm ab, wie sich der Mordverdacht gegen Madvig verstärkt. Nur der Glücksspieler Ned Beaumont hält zu ihm und rettet ihn davor, unschuldig auf den elektrischen Stuhl geschnallt zu werden, auch wenn diese Freundschaft zerbricht.
DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL ist Hammetts kompromißlosestes, härtestes und kältestes Buch. Madvig residiert wie O'Rory in Bars und Spielclubs; er macht Beaumont zum Beamten der Staatsanwaltschaft, damit der seiner eigenen Interessen verfolgen kann; Beaumont wird von O'Rorys Schergen mehrere Tage festgehalten und krankenhausreif geprügelt; er revanchiert sich, indem er dem Mord an O'Rory zuschaut und hinterher aussagt, es sei Notwehr gewesen... DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL ist aber auch Hammetts perfektester Roman: Da ist keine Szene überflüssig, kein Dialog nutzlos, kein Wort zuviel. Und damit binden Hammett und DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL ihre Leser. DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL ist Hammetts technisch bester Roman, inhaltlich reicht er nicht an die grandiose Idee heran, auf der DER MALTESER FALKE beruht.
 Vor seinem fünften und letzten Roman schrieb und publizierte Hammett die Kurzgeschichte DIE FRAU IM DUNKEL. Luise Fischer, die Exgeliebte eines zwielichtigen Großgrundbesitzers Robson, findet Zuflucht bei dem Exsträfling Brazil, dem Robson daraufhin einen Mord anhängen will, den er selbst begangen hat. DIE FRAU IM DUNKEL erinnert vom durchweg treffenden und knappen Stil her an DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL, weist aber noch eine weitere Parallele auf: In beiden Arbeiten gibt es für die Protagonisten ein Happy End - sie ziehen mit der Protagonistin (in DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL die Senatorentochter Janet) von dannen. Das ist im Vergleich mit Hammetts übrigen, vorangegangenen Werken ungewöhnlich sentimental.
In seinem letzten Roman, DER DÜNNE MANN, erschienen 1934, kehrte Hammett zu seinem Privatdetektiv zurück, der den kompletten Roman erzählt. Nick Charles ist zwar nach der Heirat mit seiner reichen Frau Nora in den Ruhestand getreten, wird aber mehr oder minder unfreiwillig in den Mordfall Julia Wolf hineingezogen. Julia Wolf war die Sekretärin und Geliebte des exzentrischen Erfinders Clyde Wynant - DER DÜNNE MANN. Wynant ist verschwunden, was ihn zum einzigen Verdächtigen macht. Doch nicht nur die Polizei sucht ihn, sondern auch seine Exfrau Mimi mit ihren Kindern Dorothy und Gilbert. Sie wollen Geld.
Nach DER MALTESER FALKE und DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL ist DER DÜNNE MANN ein Rückschritt. Hammett bemüht sich erstmals um einen gewissen Witz und einen leichten Stil, was überwiegend jedoch in flachen und geplänkelhaften Dialogen mündet. Auch kann Hammett in DER DÜNNE MANN einen Erklärungsmonolog am Schluß nicht vermeiden. Hammetts schwächstes Buch steht somit am Ende seines Schaffens - eine interessante Parallele zu Raymond Chandler übrigens, dessen letzter Roman, PLAYBACK, auch nicht an seine älteren Bücher heranreicht.

Chandler freilich schrieb bis an sein Lebensende. Als Hammetts letzter Roman gedruckt wurde, lagen noch fast drei Jahrzehnte seines Lebens vor ihm. Als Schriftsteller trat er nicht mehr in Erscheinung (abgesehen von dem Bühnenstück THE CHILDREN'S HOUR, das nach DER DÜNNE MANN entstanden sein muß), stattdessen arbeitete er für die US-amerikanische Filmindustrie. DER DÜNNE MANN wurde immerhin verfilmt und zog etwa ein halbes Dutzend weitere Streifen mit Nora und Nick Charles in den Hauptrollen nach sich, die jedoch allenfalls einzelne Motive aus Hammetts Kurzgeschichten verarbeiteten. Ende der zwanziger Jahre ließ Hammett sich von seiner Frau scheiden (einer Krankenschwester, die er während seines Krankenhausaufenthaltes etwa zehn Jahre zuvor kennengelernt hatte) und begegnete Lillian Hellman, seiner späteren Lebensgefährtin.
Hammett nahm trotz seines Alters von knapp 50 Jahren noch als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Wenige Jahre nach Kriegsende wurde er Opfer der Kommunistenhatz. In einem Gerichtsverfahren sollte er die Namen derjenigen nennen, die Gelder in einen von Hammett mitverwalteten Fonds eingezahlt hatten, aus denen Kautionssummen für angeklagte (tatsächliche oder vermeintliche) Kommunisten bestritten wurden. Hammett verweigerte die Aussage und wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, von denen er fünf verbüßte. Er mußte außerdem eine Steuernachzahlung von 140.000 Dollar leisten, die ihm seinen Wohlstand, der ihm seine Romane eingebracht hatte, nahm.
Dashiell Hammett stirbt nach Krankheit am 10. Januar 1961; seit 1956 war er nicht mehr imstande gewesen, allein zu leben. Er hinterließ das Romanfragment TULIP, eine sehr autobiografische Arbeit, in der sich der Protagonist - unverkennbar Hammett selbst - allerdings darauf beschränkt, seinem Freund Tulip eine Reihe von Details aus seinem, Hammetts Lebens zu erzählen.
Hammetts Werk bietet eine lohnenswerte Lektüre, seine früheren Stories, zusammengefaßt in DER KOMPLIZE und DER SCHWARZE HUT, ausgenommen. Es reicht aber nicht an das Chandlers heran; Chandler ist witziger, technisch besser (keine seitenlange Erklärungsmonologe!), stilistisch variationsreicher und bietet den sympathischeren Detektiv, weil der nicht nur irgendwelche Verbrechen aufklären wollte, sondern sich auch und vielmehr seinem "persönlichen Gewissen" (18) verpflichtet sah. Nur in einem Roman, in DER MALTESER FALKE, reicht Hammett, der genialen Idee wegen, an Chandler heran.


Zitate- und Quellennachweis:

(1) DIE SIMPLE KUNST DES MORDES, Seite 337, Diogenes Taschenbuch 20209.
(2) FLIEGENPAPIER, Seite 17, Diogenes Taschenbuch 20911.
(3) FLIEGENPAPIER, Seite 18, Diogenes Taschenbuch 20911.
(4) DER KOMPLIZE, Seite 104, Goldmann Taschenbuch 41181.
(5) DER SCHWARZE HUT, Seite 195, Goldmann Taschenbuch 41182.
(6) DER KOMPLIZE, Seite 217, Goldmann Taschenbuch 41181.
(7) DIE SIMPLE KUNST DES MORDES, Seite 59, Diogenes Taschenbuch 20209.
(8) FLIEGENPAPIER, Seite 69/70, Diogenes Taschenbuch 20911.
(9) DAS DINGSBUMS KÜKEN, Seite 8, Diogenes Taschenbuch 20915.
(10) DER SCHWARZE HUT, Seite 267, Goldmann Taschenbuch 41182.
(11) ROTE ERNTE, Seite 16, Diogenes Taschenbuch 20292.
(12) FLIEGENPAPIER, Seite 16, Diogenes Taschenbuch 20911.
(13) DAS DINGSBUMS KÜKEN, Seite 157, Diogenes Taschenbuch 20915.
(14) RAYMOND CHANDLER, Seite 168, Diogenes Taschenbuch 20960.
(15) ROTE ERNTE, Seite 243, Diogenes Taschenbuch 20292.
(16) DER FLUCH DES HAUSES DAIN, Seite 113, Diogenes Taschenbuch 20293.
(17) DER MALTESER FALKE, Seite 234, Diogenes Taschenbuch 20131.
(18) DIE SIMPLE KUNST DES MORDES, Seite 269, Diogenes Taschenbuch 20209.


Hammetts Werke in deutscher Übersetzung:

DER MALTESER FALKE, Diogenes Taschenbuch 20131, 235 Seiten, 9,80 DM.
ROTE ERNTE, Diogenes Taschenbuch 20292, 244 Seiten, 9,80 DM.
DER FLUCH DES HAUSES DAIN, Diogenes Taschenbuch 20293, 274 Seiten, 9,80 DM.
DER GLÄSERNE SCHLÜSSEL, Diogenes Taschenbuch 20294, 264 Seiten, 9,80 DM.
DER DÜNNE MANN, Diogenes Taschenbuch 20295, 232 Seiten, 9,80 DM.
FLIEGENPAPIER (enthält die Stories "Wie Couffignal ausgeräumt wurde", "Fliegenpapier", "Glut am Gesicht", "Königsmacher", "Ein starkes Stück"), Diogenes Taschenbuch 20911, 256 Seiten, 9,80 DM.
FRACHT FÜR CHINA (enthält die Stories "Fracht für China", "Corkscrew Canon" und das Romanfragment TULIP), Diogenes Taschenbuch 20912, 195 Seiten, 9,80 DM.
DAS GROSSE UMLEGEN (enthält die Stories "Das große Umlegen", "$ 106.000 Blutgeld", "Der zehnte Hinweis"), Diogenes Taschenbuch 20913, 168 Seiten, 8,80 DM.
DAS HAUS IN DER TURK STREET (enthält die Stories "Das goldene Hufeisen", "Das Haus in der Turk Street", "Das Mädchen mit den silbernen Augen"), Diogenes Taschenbuch 20914, 134 Seiten, 7,80 DM.
DAS DINGSBUMS KÜKEN (enthält die Stories "Das Dingsbums Küken", "Der Main-Tod", "Der Farewell-Mord"), Diogenes Taschenbuch 20915, 163 Seiten, 8,80 DM.
DER KOMPLIZE (enthält die Stories "Der Komplize", "Nachtschatten", "Glitschige Finger", "Hotelschnüffler", "Wer erschoß Bob Teal?", "Der Richter lachte zuletzt", "Die ganz große Kohle", "Der Haarige", "Albert Pastor kommt nach Hause"), Goldmann Taschenbuch 41181, 224 Seiten, 9,80 DM.
DER SCHWARZE HUT (enthält die Stories "Ein Mann namens Thin", "Nur eine Stunde", "Wem das Glück lacht...", "Angst", "Feuerteufel", "Urlaub", "Der Mann, der im Weg stand", "Der Friseur und seine Frau", "Der schwarze Hut, der gar nicht da war"), Goldmann Taschenbuch 41182, 269 Seiten, 9,80 DM.
DIE FRAU IM DUNKEL, Heyne Taschenbuch 8360, 93 Seiten, 7,80 DM.