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Stefan T. Pinternagel
UND
MORGEN DER GANZE WELTEN- RAUM!
Nachdruck,
Atlantis Verlag, ISBN 3-936742-79-0, 2007, 134 Seiten, 8,90 EUR.
Coverzeichnung: Emmanuel Henné.
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UND
MORGEN DER GANZE WELTENRAUM! wurde erstmals in der Edition SOLAR-X veröffentlicht.
Der Herausgeber der Edition SOLAR-X, Wilko Müller jr., wird im Nachwort
als Lektor der Neuausgabe im Atlantis Verlag erwähnt.
1940 stürzt ein UFO auf dem Gebiet des Deutschen Reiches ab. Es war
von den Lichtdom des Nürnberger NSDAP-Parteitages 1938 angelockt
und von der englischen Flugabwehr abgeschossen worden, weil der Pilot
ein Hakenkreuz auf den Rumpf gemalt hatte (sic!). Bereits diese Passage
macht deutlich, dass der Roman nicht sehr ernst gemeint ist ... Die Nazis
bringen das UFO in ihre Gewalt, kopieren es und unterjochen mit den nachgebauten
Flugscheiben Europa und die übrige Welt. 1942 wird im Weltraum ein
fremdes, mehrere hundert Meter durchmessendes Raumschiff geortet, das
Kurs auf die Erde hält. Die Flugscheiben der Nazis steigen auf um
es abzufangen.
UND MORGEN DER GANZE WELTENRAUM! ist weniger eine Satire auf den NS-Staat
als vielmehr eine Parodie auf die UFO-„Theorien“, die eine
Unterstützung der Nationalsozialisten, aber auch der Alliierten im
Zweiten Weltkrieg durch Außerirdische propagierten. Was auch ohne
das erklärende Nachwort erkennbar wäre: Stefan T. Pinternagels
abgestürzte Aliens sind Naivlinge, die die Nazis widerstandslos an
ihrer Technologie teilhaben lassen. Die nationalsozialistischen Protagonisten
wiederum entpuppen sich als Schwule (was nicht diskriminierend ist, da
auch Homosexuelle vom NS-Staat verfolgt wurden), Mörder, Feiglinge
und Psychopathen. Die Handlung wird mit ihrem Fortschreiten stetig absurder.
Einige undurchdachte Details passen freilich auch nicht in den Rahmen
einer Satire.
Mit einer Nachbauzeit von drei Monaten für die UFOs strapaziert der
Autor sehr stark seine dramaturgische Freiheit, wenn man die Entwicklungszeiten
realer militärischer Projekte (auch die der Nazis) als Maßstab
nimmt. Die Handlung hätte auch funktioniert, wenn die Flugscheiben
erst zwei oder drei Jahre nach dem Absturz der Außerirdischen verfügbar
gewesen wären. Das große außerirdische Raumschiff hätte
entsprechend später im Sonnensystem auftauchen können, nur die
Bezugnahme auf diverse militärhistorische Ereignisse wäre nicht
mehr möglich gewesen. Stefan T. Pinternagel verwechselt außerdem
Taktik mit Strategie (Seite 66/67) und lässt einen SS-Mann von einem
Wehrmachtsoffizier befördern (Seite 56).
Sowohl dem Autor als dem Lektor scheinen des Weiteren entgangen zu sein,
dass zu Anfang des Romans von der Erde als „siebenter Planet“
(Seite 17) die Rede ist und in einem späteren Dialog ein abrupter
Personen-, besser: Namenswechsel stattfindet (Seite 53/54), obwohl keine
weitere Person die Szene verlässt oder betritt. Ebenso, dass der
Verzicht auf eine Reihe von „und-“Konjunktionen den Lesefluss
gefördert hätte. Der eher unbekannte, weil nur viermal vergegebene
Rang des „Oberstgruppenführers“ hat dagegen in der SS
tatsächlich existiert.
Wenn man über die im Grunde überflüssigen, vermeidbaren
Fehler hinwegsieht, bietet UND MORGEN DER GANZE WELTENRAUM! eine vergnügliche
Lektüre. Der Leser muss aber bereit sein zu akzeptieren, dass die
künstlerische Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur auch auf humoristische,
ironische und satirische Art und Weise erfolgen kann. Denn das ist UND
MORGEN DER GANZE WELTENRAUM! auch, selbst wenn der Aufhänger für
den Roman die einschlägigen UFO-„Theorien“ waren und
der Völkermord der Nazis ausgeklammert wurde (in dem Roman vernichten
sie „nur“ kulturelle Stätten und Bauten, die nicht in
ihr Weltbild passen).
UND MORGEN DER GANZE WELTENRAUM! ist selbstverständlich nicht mit
der bitterbösen Satire WENN DAS DER FÜHRER WÜSSTE von Otto
Basil (u. a. Moewig SFTB 3534, 1981), die ein von den Nazis beherrschtes,
irrationales Nachkriegseuropa schildert, oder Philip K. Dicks Meisterwerk
DAS ORAKEL VOM BERGE (u. a. Heyne TB 16411, 2004), in dem die USA zwischen
den Deutschen und den Japanern aufgeteilt sind, vergleichbar. Diesen Romanen
nachzueifern lag wohl nicht in den Absichten den Autors. Obwohl: Ein ernsthafter
Roman, in dem eine Welt geschildert wird, die die Nazis mit Hilfe außerirdischer
Technologie besiegten ...?!
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