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Sergej und Marina Dyachenko
DAS
JAHRHUNDERT DER HEXEN
„Ved'min
vek“, 2005, deutsche Erstausgabe, aus dem Russischen von
Christiane Pöhlmann, Piper TB 6656, 2008, 441 Seiten, 9,95
EUR.
Coverzeichnung: Anke Koopmann.
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DAS
JAHRHUNDERT DER HEXEN ist, wenn meine Recherchen korrekt sind, der erste
auf Deutsch erschienene Roman des russischen Autorenehepaares Marina und
Sergej Dyachenko. In dem Klappentext und in dem Buch selbst wird wie selbstverständlich
auf ihren Autorenkollegen Sergej Lukianenko Bezug genommen, der vor allem
durch seine WÄCHTER-Romane (Heyne TB 53080, 53200, 53198 und 52255)
bekannt geworden ist: „Rasante Action und Spannung für alle
Fans von WÄCHTER DER NACHT.“ Ein hoher Anspruch, an dem sich
DAS JAHRHUNDERT DER HEXEN messen lassen will, der aber vermutlich gar
nicht auf den Ambitionen der Autoren beruht, sondern die übliche
Werbemasche eines Verlages ist.
In dem Roman sind Hexen selbstverständlich Realität. Kontrolliert
werden sie von der Inquisition, der Männer angehören, die magischen
Kräfte der Hexen offenbar kompensieren können. In dem Haus eines
Freundes begegnet der Großinquisitor Klawdi Starsh der unregistrierten
jungen Hexe Ywha, die bislang nicht ahnte, dass sie eine Hexe ist. Ihre
Verlobung platzt und sie flieht. In Wyshna begegnet sie dem Großinquisitor
wieder und wird seine inoffizielle Mitarbeiterin. Denn gleichzeitig nehmen
die durch Hexen verursachten Unglücke und Katastrophen zu. Es scheint,
als arbeiten die Hexen auf die Machtübernahme hin. Ywha flieht erneut.
Auch ohne den ausdrücklichen Hinweis auf die WÄCHTER-Romane
fallen sich einige Parallelen auf. In den Romanen Lukianenkos sind es
die Wachen, die die magisch begabten Angehörigen der jeweils anderen
Seite kontrollieren. Über ihnen trohnt die Inquisition und achtet
auf die Einhaltung des sogenannten Vertrages. In DAS JAHRHUNDERT DER HEXEN
kommen die Tschugeister hinzu, vom Äußeren her Menschen, die
Njawkas jagen, wiederauferstandene Tote. Für den Aufstand der Hexen
und deren Bekämpfung haben sie größtenteils keine Bedeutung,
sondern dienen dem Zweck, dem Großinquisitor eine tragische Vergangenheit
anzudichten.
Es gibt aber auch Unterschiede, die ebenfalls auffallen würden, wenn
die WÄCHTER-Romane im Zusammenhang mit DAS JAHRHUNDERT DER HEXEN
nicht erwähnt worden wären. Während Lukianenko seine WÄCHTER-Romane
in der Gegenwart und an bekannten Schauplätzen ansiedelt, bleiben
die Dyachenkos in dieser Hinsicht seltsam unbestimmt. Ihre Welt mutet
wie eine Parallelwelt an. Zeitlich und geografisch wird sie nicht definiert.
Weshalb der Verlag in „Zu diesem Buch“ behauptet, Wyshna wäre
eine ukrainische Millionenstadt, ist nicht nachvollziehbar. Keiner der
erwähnten Ortsnamen ist mit denen der großen Städten der
Ukraine identisch oder nur ähnlich. Der Staat, in dem Klawdi Starsh
agiert, wird noch von einem Herzog (sic!) regiert, verfügt jedoch
über moderne Waffen bis hin zu Atomraketen.
Der Plot des Romans, der Kampf der Hexen gegen die Menschen, der sich
offenbar nach mehreren Jahrhunderten wiederholt, ist natürlich nicht
besonders innovativ. Vielleicht hätten die Autoren dem Thema neue
Aspekte abgewinnen können, wenn sie es in die Gegenwart transferiert
hätten anstatt sorgsam, fast ängstlich jegliche Bezüge
zu vermeiden, was vermutlich der einfachere Weg war. Die Hexe Ywha auf
ihrem Weg zur Selbstfindung gewinnt dagegen durchaus die Sympathie des
Lesers. DAS JAHRHUNDERT DER HEXEN ist routiniert geschrieben, gerät
in dem letzten Drittel jedoch zu weitschweifig. Alles vermag der Roman
auch als eigenständige Arbeit also nur bedingt zu überzeugen.
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