Armin Rößler (Hrsg.)

ÜBERSCHUSS

2004, Originalausgabe, SF-Band 3 aus dem Wurdack Verlag, 200 Seiten, 9,95 EUR.
Coverzeichnung: Ernst Wurdack.

Die Titelstory gehört zu den sozialkritischen, die der dritte Band der SF-Reihe des Wurdack Verlags – neben anderen selbstverständlich – enthält. „Überschuss“ von Torben Kneesch ist faktisch Hartz-LXII: Arbeitslose werden eingefroren, in Abständen von mehreren Jahrzehnten aufgetaut und mit einer veränderten Welt konfrontiert. „Der Irrtum“ von Lutz Herrmann befaßt sich mit der Überalterung der Gesellschaft: Siebzigjährige arbeiten noch, in ständiger Angst vor der Kündigung und der Abschiebung in das soziale Abseits. In „Der Untergang der Titan“ von Bernhard Weißbecker soll das Ende der Merkur-Expedition live übertragen werden, und „Fallstudie: Terroristin Jenny S.“ von Heidrun Jänchen beschreibt die Tat und die Jagd auf die Protagonistin, die daran gehindert wird, selbst Kinder zu bekommen und stattdessen einen Klon entführt.
Es sind überwiegend der Gegenwart und der Realität nahestehende Ideen, die den Kurzgeschichten zugrunde liegen, so daß der Pessimismus nicht verwundern darf.
Aber auch in anderen Kurzgeschichten dürfen die Protagonisten keine Happy-Ends erleben. In „Der Spaziergang“ von Markus K. Korb kommt ein Raumfahrer im Marsorbit ums Leben, als die Triebwerke seines Raumanzugs versagen. In „Strafvollzug“ von Peter Hohmann wird ein Agent in einem Gefängnis der Zukunft (das ausgesprochen innovativ ist) von seinem Widersacher hereingelegt. Und „Der Bewohner“ einer virtuellen Welt, verfaßt von Bernhard Schneider, versucht sich umzubringen, um ihr zu entkommen – oder ist es doch die reale...?! In „Albas bestes Spiel“ von V. Groß spielen zwei Freunde um die Rettung eines Raumfahrers; als das Spiel entschieden wird, ist der Astronaut bereits tot – diese Art von Tragik wirkt sehr aufgesetzt.
Katastrophenszenarien bedienen Andrea Tillmanns in „Nicht ganz Atlantis“ und Antje Ippensen in „Alles wandelt sich“, vermögen diesem mitunter aber sehr abgelutschten Thema neue Aspekte abzugewinnen, allein durch ihre Herangehensweise. Andrea schreibt in einer unverbrauchten und frischen Perspektive: Tagebucheintragungen eines jungen Mädchens, das in einer abgeschlossenen Welt lebt, deren Widersprüche aufdeckt und der sie schließlich entkommt. Die Story von Antje besticht vor allem durch den Charme ihrer ungewöhnlichen Protagonisten, die allerdings einem gewissen Harmoniebedürfnis frönen.
Ungewöhnlich sind „Wider Willen“ von Axel Bicker und „Das Festtagsprogramm“ von Thorsten Küper. In „Wider Willen“ wird durch eine Untersuchung sichergestellt, daß auf einem Kolonialplaneten nur Menschen, die sich tatsächlich lieben, heiraten können. „Das Festtagsprogramm“ ist deutlich weniger harmlos: Die Besatzung einer Raumstation im Marsorbit wird durch Roboter dezimiert, die an bestimmten Feiertagen aktiv werden und entsprechende Formen annehmen. Der Plot der Story erinnert an die Kurzgeschichte „Variante zwei“ von Philip K. Dick, in der auch zunächst Roboter von Menschen konstruiert wurden, bevor sie damit begonnen, sich weiter zu entwickeln und selbst zu reproduzieren. Damit soll jedoch keine Inspiration vermutet werden, sondern vielmehr eine Hommage an und eine Verbeugung vor dem großen Meister.
In „Barrieren“ von Armin Rößler sollen Mutanten einen Planeten vor den Haßwellen einer auf einem Nachbarmond beheimateten Lebensform schützen, die jedoch nur aktiv wird, wenn sie durch Besucher gereizt wird. Der Plot erscheint stark konstruiert, und Armin benötigt noch weitere Hintergrundinformationen und Handlungsteile, um die Story zu einem plausiblen Abschluß zu bringen – den, nebenbei bemerkt, der Protagonist zwar überlebt, aber sich auch nicht als Happy-End für ihn darstellt.
Der Band enthält aber auch einige humoristische Stories, auch wenn diese stark in der Minderzahl sind: „Nur ein Gedanke“ von Birgit Erwin, „Flasken“ von Edgar Güttge (die mitunter mehr Nonsense als Humor enthält) und „Allmacht“ von Uwe Sauerbrei.
ÜBERSCHUSS ähnelt seinen Vorgängern DES EX MACHINA und WALFRED GORENG: eine große Ideenvielfalt, wenn auch wenige neue Plots (ein Problem des Genres insgesamt, um es zu wiederholen), erzählerisches Können, mehr Pessimismus als Humor, alles in allem wieder ein hohes Niveau. Es fällt schwer, unter den bislang erschienenen Bänden den besten zu bestimmen, ich neige dazu, ÜBERSCHUSS nicht dafür zu halten, ohne daß der Band dadurch nicht empfehlenswert wäre.

 

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