Peter Straub

ESSWOOD HOUSE

„Mrs. God“, 1990, deutsche Erstausgabe, aus dem Amerikanischen von Joachim Körber, Phantasia Paperback Horror 3003, 2005, 165 Seiten, 12,90 EUR.
Coverzeichnung: Rick Berry.

ESSWOOD HOUSE ist der dritte Roman von Peter Straub in Folge, der das Wort „Haus“ im Titel trägt (wenn auch diesmal auf englisch). Im Gegensatz zu DAS SCHWARZE HAUS (zusammen mit Stephen King, Heyne TB 13909, 2004) und HAUS DER BLINDEN FENSTER (Heyne Paperback 43000, 2004) handelt es sich bei ESSWOOD HOUSE nicht um einen neuen Text, sondern um die 1990 entstandene erweiterte Fassung der Novelle „Mrs. God“, die in der Storysammlung HAUS OHNE TÜREN (Heyne Paperback 41/45 bzw. TB 9099, 1993/1994) unter dem treffenden Titel, aber weniger poetischen Titel „Frau Gott“ erschien (seinerzeit übersetzt von Andreas Brandhorst).
Der US-amerikanische Doktorand William Standish wird in das englische Esswood House eingeladen, einem Herrenhaus, das umfangreiches Material bekannter und weniger bekannter Autoren des 20. Jahrhunderts birgt, darunter auch von Isobel Standish, seiner Großtante. Bereits die Anreise und die mißglückte Einkehr in einen Pub verstören Standish, in Esswood House irritiert ihn die Begegnung mit einer schönen, selbstbewußten Frau, die er im Laufe der Handlung zwar hören, aber nicht wiedersehen wird. Als Standish in das Werk seiner Großtante eindringt und ihr Geheimnis entdeckt, das Parallelen zu seinem aufweist, verliert er die Kontrolle.
Das mysteriöse englische Herrenhaus, das seinen (US-amerikanischen) Besucher in seinen Bann schlägt, ist ein klassisches Motiv des Horrors, das Straub hervorragend bedient. Die Schriftstellerbibliothek bietet ihre Geheimnisse, ebenso wie Isobel und William Standish und Esswood House und seine Bewohner selbst. Diese aber sind keineswegs so angestaubt wie es der Handlungsrahmen zunächst vermuten läßt und insgesamt facettenreicher als in dem umfangreicheren Roman HAUS DER BLINDEN FENSTER... Auch die Eskalation des Verhaltens des Protagonisten fügt sich überzeugend ein. Stilistisch läuft Straub in ESSWOOD HOUSE zur Hochform auf, in dem er atmosphärisch sehr dicht zu erzählen weiß und den Leser damit in einem sehr großen Maß an der niederschmetternden Situation teilhaben läßt, in der sich William Standish befindet.
Im direkten Vergleich ist ESSWOOD HOUSE der beste der zuletzt erschienenen Romane von Peter Straub. In DAS SCHWARZE HAUS und HAUS DER BLINDEN FENSTER bedient sich der Autor auch bekannter Motive, schlägt daraus aber kein Kapital, bleibt inhaltlich relativ konventionell und vermag den Leser auch nicht durch seinen (im Vergleich zu ESSWOOD HOUSE schlichteren) Stil zu fesseln.
ESSWOOD HOUSE ist ein empfehlenswerter Band aus der neuen Paperbackreihe der EDITION PHANTASIA, die bislang nur aufwendig ausgestattete, hochpreisige Bücher verlegte. Doch ist ESSWOOD HOUSE auch Lesern nahezulegen, die erste Version, „Frau Gott“ aus HAUS OHNE TÜREN, bereits kennen?! (Wobei es sich zugegebenermaßen nur um langjährige Straub-Leser handeln kann.) Straub hat die ursprüngliche Fassung um etwa ein Drittel ausgebaut, keine neuen Handlungsteile eingefügt, sondern die Kapitel der Novelle erweitert. Die Darstellung der Situation seines Protagonisten ist dadurch intensiver geworden; das Ende des Romans weicht etwas von dem der Novelle ab, was sinnvoll ist, da Straub damit einen Widerspruch beseitigte.
Der vorliegende Band ist natürlich kein Schlüsselwerk o. ä. in dem Oeuvre Peter Straubs. Für ESSWOOD HOUSE spricht aber auch der Stil, der dichter, komplexer und prägnanter als in „Frau Gott“ ist (in Unkenntnis des Originaltextes muß die Frage offen bleiben, ob dieses seinen Grund in der Überarbeitung des Autors oder in der Kompetenz der Übersetzer hat).

 

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