Philip K. Dick

UBIK

„Ubik“, 1969, Nachdruck, aus dem Amerikanischen von Renate Laux, Alexander Martin und Jürgen Langowski, Heyne TB 13884, 2003, 428 Seiten, 9,95 €.
Coverzeichnung: Hauptmann und Kampa Werbeagentur.
Anhang: UBIK – DAS DREHBUCH.

Der Heyne Verlag macht in seiner Dick-Edition den Lesern wieder einen Roman zugänglich, der jahre- bis jahrzehntelang vergriffen war: UBIK. Zuerst und zuletzt erschien der Roman 1977 im Insel und im Suhrkamp Verlag. In der Neuausgabe trat an die Stelle des Nachwortes von Stanislaw Lem ein Vorwort von Sascha Mamczak, seines Zeichens Herausgeber der Heyne SF-Reihe, außerdem wurde der Band mit dem Drehbuch versehen, das Dick selbst 1974 für den französischen Regisseur Jean-Pierre Gorin schrieb, das aber nicht verfilmt werden sollte.
Was ist UBIK?! Nun, das wird für den Protagonisten des Romans, den PSI-Techniker Joe Chip, zur existenziellen Frage. Chip ist Angestellter von RUNCITER ASSOCIATES, einer sogenannten Schutzgesellschaft, die den Aktivitäten von Telepathen und anderen PSI-begabten Menschen in gegnerischen Konzernen Einhalt gebieten soll, in dem sie die passenden Gegentalente zum Einsatz bringt (ein Motiv, das auch in mehreren Kurzgeschichten Dicks auftaucht). Runciter, Chip und zehn weitere Angestellte geraten auf dem Mond in eine Falle. Runciter wird getötet, den übrigen gelingt die Flucht zur Erde.
UBIK gehört zu jenen Romanen Dicks, in denen die Realität aus den Fugen gerät. Bereits auf dem Rückflug zur Erde bemerkt Chip einen langsamen Zerfall und eine Alterung seiner Umgebung, deren Tempo nach der Landung zunimmt. Nahrungsmittel werden ungenießbar, Geräte zerfallen und werden durch Exemplare ihrer vorherigen Generationen ersetzt. Chip und seine Begleiter bewegen sich auch in der Zeit zurück, ein Prozeß, der erst 1939 zum Stillstand kommt. Ständig versucht Runciter, mit Chip Kontakt aufzunehmen, und weist ihn dabei drängend auf UBIK hin.
UBIK ist der Höhepunkt unter Dicks realitätshinterfragenden Romanen. Dick schafft die Voraussetzungen für die Zerstörung der Umwelt seiner Protagonisten mit der Kryotechnik, die in seiner Zukunft dazu genutzt wird, Verstorbene am Leben zu erhalten (sofern sie noch Gehirnaktivitäten aufweisen). So muß Chip im Laufe des Romans erkennen, daß er und seine Begleiter starben und eingefroren wurden, nicht Runciter. Damit befreit Dick die Realitätsveränderungen von physischen Fesseln: Chips Umwelt ist nur seinem Einfluß, und dem seiner Verbündeten und dem seiner (zunächst stärkeren) Widersacher unterworfen.
In keinem anderen Werk Dicks wird die Umwelt der Protagonisten dermaßen demontiert wie in UBIK, und zwar so sehr, daß der Roman zeitweise konfus anmutet und nicht mehr eine noch einigermaßen plausible Lösung erwartet läßt. Doch Dick wäre kein herausragender Autor, wenn ihm das Gegenteil nicht doch noch gelingen würde...
Das Drehbuch zu UBIK weiß zu überraschen – es lehnt sich nicht nur stark an den Roman an, was bei Romanverfilmungen nicht unbedingt üblich, sondern kopiert ihn teilweise sogar. Dick hat viele Dialoge, aber auch viele Beschreibungen wörtlich aus dem Roman übernommen, lediglich den Schluß verändert. So stellt das Drehbuch eine komprimierte Fassung des Romans dar, der erst auf den letzten Seiten variiert wird. Es verwundert nicht, daß es nicht in einem Film umgesetzt wurde, sondern für DER BLADE RUNNER, TOTAL RECALL, SCREAMERS – TÖDLICHE SCHREIE, MINORITY REPORT und PAYCHECK actionreichere Romane und Kurzgeschichten vorgezogen wurden, die einfacher zu verfilmen waren.
Leser, die die Insel- oder Suhrkamp-Ausgabe von UBIK besitzen, müssen den Heyne-Nachdruck nicht erwerben. Abgesehen von dem abweichenden Schluß bietet das UBIK-Drehbuch keine neuen Erkenntnisse über Dicks Arbeit als Autor, vor allem nicht als Drehbuchautor. Allen anderen kann nur dringend empfohlen werden: Kaufen, bevor UBIK, wie es bis zum Roman mehrfach geschieht, wieder verschwindet.

 

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