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Gert Prokop
DER
SAMENBANKRAUB
Nachdruck,
1983, Das Neue Berlin, 2003, 409 Seiten, 14,90 EUR.
Covergestaltung: Johannes Frick.
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DER
SAMENBANKRAUB ist der zweite Band, der die Kurzgeschichten um den Privatdetektiv
Timothy Truckle enthält. Auf den ersten Blick mag es verwundern,
daß der Verlag diesen Band für eine Neuauflage ausgewählt
hat, nicht etwa den ersten, WER STIEHLT SCHON UNTERSCHENKEL (Das Neue
Berlin, zuletzt 1994), oder beide zusammen, doch DER SAMENBANKRAUB enthält
die ausgereifteren Kurzgeschichten, in denen sich Prokop mehr Raum für
den Aufbau seiner Handlungen nimmt.
Gert Prokop wurde 1932 geboren, wuchs in der DDR auf und war seit Anfang
der siebziger Jahre als freier Schriftsteller tätig und verfaßte
Kinderbücher, Kriminal- und SF-Romane. Die Kurzgeschichtenbände
WER STIEHLT SCHON UNTERSCHENKEL? und DER SAMENBANKRAUB wurden mehrfach
nachgedruckt, auch nach der Wiedervereinigung. Prokop beging 1994 Selbstmord.
Die Kenntnis der Kurzgeschichten in WER STIEHLT SCHON UNTERSCHENKEL? ist
für das Verständnis der Stories in dem vorliegenden Buch nicht
erforderlich, auch wenn manches von vorneherein deutlicher würde:
Wie beispielsweise Timothy Truckle in seine privilegierte Stellung gelangen
konnte, wie es mit seinem Verhältnis zum DRAUSSEN und zum UNDERGROUND
oder mit der ISOLATION bestellt ist. Der kleinwüchsige Truckle lebt
und arbeitet in einem Chicago der Zukunft, in der die USA zu einem totalitären
Staat geworden sind, der durch einen Energieschirm von der übrigen
Welt abgeschnitten wurde. Timothy ist technisch sehr gut ausgestattet
und außerdem ein leidenschaftlicher Gourmetkoch.
Zu Truckles Klienten gehören ausschließlich die „Big
Bosse“ der Konzerne der USA. In der Titelgeschichte wird er von
Abrahm B. Bentley, den Chef der ALL-AMERICAN FOOD & BIO-ENGINEERING
engagiert, um den Diebstahl seines Spermas aus einer Samenbank aufzuklären.
„Das Orakel von Queens“ ist eine Wahrsagerin, hinter deren
Geheimnis Truckle im Auftrag der Polizeichefin Deborrah Johnson kommen
soll. „Der Photonenschrei“ stellt sich als verantwortlich
für den Tod dreier Mitarbeiter des Chefs des NATIONAL INVESTEMENT
FUNDS heraus. „Das Teufelspuzzle“ beginnt mit der Entführung
eines Jugendfreundes Truckles, die sich als Verwechslung herausstellt,
hinter der der Detektiv eine Verschwörung gegen das DRAUSSEN aufdeckt.
In „Der Laurin oder Umzug der Engel“ vermischt Prokop zwei
Handlungsstränge: zum einen die Suche nach dem verschwundenen Henry
Six, Boß des FORD-Konzerns (natürlich im Auftrag des Konkurrenten,
GENERAL MOTORS), zum anderen die Entdeckung von etwa tausend Kindern in
den Nolands und ihre Rettung in den UNDERGROUND. „Die Spur der Mutanten“
führt Timothy nicht nur zu illegalen Kloning-Experimenten der UNITED
CHEMICAL, sondern auch zu seinem verschwundenen Freund, den Komponisten
Daniel Shopenhower – mit einem verheerenden Ergebnis. Da Truckle
seinen Auftraggebern inzwischen zu unbequem wurde, wird er in „Drei
Minuten der Ewigkeit“ das Opfer eines Millionenspiels.
Für Krimis im SF-Gewand ist es selbstverständlich, daß
die Plots nur mit diversen futuristischen technischen Sujets funktionieren.
Das ist in den Kurzgeschichten in DER SAMENBANKRAUB der Fall, und zwar
tadellos. Bemerkenswert ist auch Prokops Ideenreichtum, der keinen Aspekt
seiner Kurzgeschichten – Protagonisten, Detaillerung der Hintergründe,
technische Sujets – ausläßt und gelegentlich skurille
bis karikierende Züge annimmt. Einiges davon dient jedoch nur dem
Zweck, den totalitären Charakter der USA herauszustellen. Das fällt
vor allem bei dem Zug der Kinder in „Der Laurin oder Umzug der Engel“
auf, der keinem anderen Zweck dient (wozu auch der Tod von Timothys Freundin
zu zählen ist).
Es ist aber müßig, darüber spekulieren zu wollen, ob Prokops
Entwurf der zukünftigen USA tatsächlich gegen den „Klassenfeind“
gerichtet war – immerhin erschienen die beiden Sammelbände
erstmals 1977 und 1983 erstmals in der DDR – oder ob er ein Spiegelbild
des Staates darstellt, in dem der Autor seinerzeit lebte. Immerhin gleicht
der Energieschirm, der Prokops USA umgibt, in seiner Funktion verblüffend
den Grenzanlagen der DDR, auch wenn er nicht von den USA selbst errichtet
wurde. Außerdem haben auch US-amerikanischen Autoren bereits Visionen
einer totalitären USA zu Papier gebracht.
DER SAMENBANKRAUB ist Lesern mit einem Faible für Krimis in der SF
sehr zu empfehlen. Vielleicht entschließt sich der Verlag dazu,
auch WER STIEHLT SCHON UNTERSCHENKEL? wieder aufzulegen. Auch wenn die
Stories darin etwas einfacher aufgebaut sind, weisen sie ansonsten dieselben
Qualitäten wie die in DER SAMENBANKRAUB auf.
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