|
Sergej Lukianenko
SPEKTRUM
„Spectre“,
2002, deutsche Erstausgabe, aus dem Russischen von Christiane
Pöhlmann, Heyne TB 52233, 2007,702 Seiten, 14,00 EUR.
Coverzeichnung: Dirk Schulz.
|
Sergej
Lukianenko ist durch die WÄCHTER-Romane bekannt geworden, von denen
mittlerweile vier auf Deutsch erschienen sind: WÄCHTER DER NACHT
(Heyne TB 53080), WÄCHTER DES TAGES (Heyne TB 53200), WÄCHTER
DES ZWIELICHTS (Heyne TB 53198) und WÄCHTER DER EWIGKEIT (Heyne TB
52255). Die Episodenromane schildern die Auseinandersetzungen der magisch
begabten Mitglieder der Moskauer Tag- und Nachtwache, teils gegeneinander,
teils aber auch gegen andere Zauberer, Magier und Hexen. SPEKTRUM ist
dagegen SF und wurde zwischen dem zweiten und dem dritten WÄCHTER-Roman
verfasst.
Auf der Erde der nahen Zukunft haben die sogenannten Schließer Stationen
errichtet, von denen aus sich mittels Hyperraum- oder Teleportations-
oder Quantentransfer o. a. etwas mehr als vierhundert Planeten erreichen
lassen. Die Nutzung der Stationen unterliegt nur einer Einschränkung:
Die Reisendem müssen dem diensttuenden Schließer eine Geschichte
erzählen, die ihm zusagt. Martin Dugin ist Meister in dieser Disziplin.
Noch nie hat ihn ein Schließer zurückgewiesen, so dass er seine
Begabung nutzt, um als Privatdetektiv zwischen den Welten zu arbeiten.
Sein jüngster Auftrag besteht darin, die siebzehnjährige Irina,
Tochter des Geschäftsmannes Ernesto Semjonowitsch, die durch die
Moskauer Station zu einem unbekannten Ziel aufgebrochen ist, zu finden
und zur Rückkehr zu bewegen. Martin entdeckt schnell, dass Irinas
Ziel der Planet Bibliothek ist, so genannt nach den Steinobelisken, die
den Planeten bedecken und in denen Schriftzeichen eingraviert sind, die
bislang noch niemand entziffern konnte. Bevor Martin jedoch mit Irina
reden kann, fällt sie einem Attentat zum Opfer. Sterbend kann sie
noch einen Hinweis auf den Planeten Prärie 2 geben. Martin folgt
ihm und trifft auf Irinas vermeintliche Doppelgängerin, die in einem
Revolverduell umkommt.
Spätestens in dieser Phase des Romans stellt sich die Frage, wie
oft der Autor dieses Handlungsschema noch wiederholen will. Er gibt selbst
die Antwort, als er offenbart, dass sich Irina bei ihrem Transfer durch
die Moskauer Station siebenmal dupliziert hat. Sie stirbt also noch vier
Tode, was durchaus Sinn macht, weil es das Problem aus dem Roman schafft,
wie sieben Irinas nebeneinander in demselben Universum existieren können.
Lukianenko nutzt die diversen Episoden von SPEKTRUM immerhin dazu, ungewöhnliche
und ideenreiche Planeten und außerirdische Zivilisationen zu kreieren,
die in der übrigen SF in der Tat ihresgleichen suchen (von Bibliothek
und Prärie 2 abgesehen). Es ist auch nicht ohne Reiz, dass sich die
Tore zwischen den Welten erst öffnen, wenn der Reisende eine (brauchbare)
Geschichte erzählte. Dass Irina und später auch Martin dem Geheimnis
der Schließer und damit auch einem kosmischen Mysterium auf der
Spur sind, liegt auf der Hand.
SPEKTRUM wird in der zweiten Hälfte deutlich interessanter, weil
sich die Originalität der erschaffenen Welten steigert und sich das
Geheimnis der Schließer konkretisiert. Zuvor aber überforderte
das Konzept der siebenfach duplizierten Irina die Geduld des Lesers. In
meiner Besprechung über den ersten WÄCHTER-Roman hatte ich den
ökonomischen Handlungsablauf gelobt und Lukianenko als Pendant gegenüber
jenen westlichen Autoren hervorgehoben, die dicke Bücher und umfangreiche
Zyklen verfassen, obwohl der Inhalt ein solches Auswalzen überhaupt
nicht trägt. Mit SPEKTRUM hat sich Lukianenko diesem Trend leider
nicht entziehen können, sondern sich ihm sowohl inhaltlich als auch
stilistisch hingegeben.
Immerhin, zwei positive Aspekte sind dennoch festzustellen: In den nach
SPEKTRUM entstandenen WÄCHTER-Romanen hat der Autor zu seiner Kompaktheit
in der Darstellung und in der Beschreibung zurückgefunden. Und einen
Aufhänger für eine oder mehrere Fortsetzungen enthält SPEKTRUM
nicht.
|