C. J. Cherryh

PELLS RUF

„Finity‘s End“, 1997, deutsche Erstausgabe, aus dem Amerikanischen von Christine Strüh, Heyne SFTB 6329, 2000, 749 Seiten, 24,90 DM.
Coverzeichnung: Stephen Youll.

Mit PELLS RUF kehrt C. J. Cherryh zu den Anfängen ihrer Future History zurück, zu der Raumstation im Pell-System, die sie in dem Roman PELLS STERN (Heyne SFTB 4038) vorstellte. Zwar war bereits der größte Teil der zuvor erschienenen Romane zumindest locker in dem privaten Zukunftsuniversum der Autorin angesiedelt, doch mit PELLS STERN begann C. J. Cherryh damit, es zu struktieren und zu gestalten. Es sollten fast zwanzig Romane folgen, die auch in anderen Regionen des Alls spielen.
In der Epoche vor den Geschehnissen von PELLS STERN haben die Menschen bei ihrem Vorstoß ins All nur zwei bewohnbare Planeten gefunden, so daß sie gezwungen waren, sich in Raumstationen anzusiedeln, die untereinander regen Handel trieben. Der erste Planet ist Downbelow, in dessen Orbit sich die Pell-Station befindet und der von der bislang einzigen bekannten Aliens bewohnt wird, der zweiten Cyteen, auf dem sich die Union, eine eher sozialistische Gesellschaft, gründete. Um diesen Unabhängigkeitsbestrebungen entgegen zu wirken, sandte die Erde eine Flotte von Kriegsschiffen unter dem Kommando eines Mannes namens Mazian aus, auf die die unabhängigen Händler in PELLS STERN mit der Gründung der Allianz reagierten, die die Kriegsschiffe vertrieb, die aber, als sich die Erde von ihnen lossagte, zu Piraten wurden.
PELLS RUF spielt etwa zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen, die in PELLS STERN beschrieben werden. Diesmal ist der deutsche Titel noch unzutreffender als der des ersten Pell-Romans (der schlicht DOWNBELOW STATION lautete), denn es ist nicht Pells Ruf, der den sechzehnjährigen Fletcher Neihart ereilt, sondern der seines Mutterschiffes, der FINITYS’S END. Fletcher ist der Sohn einer Besatzungsangehörigen, die in den Kriegswirren schwanger auf der Pell-Station zurückblieb und einige Jahre nach Fletchers Geburt Selbstmord beging. Fletcher sieht seine Zukunft auf Downbelow, in der Arbeit mit seinen Bewohnern, doch dem juristischen Tauziehen zwischen der FINITY’S END und der Raumstation ist er hilflos ausgeliefert: Er geht an Bord des Schiffes.
Der Umfang des Romans läßt eine aufgeblähte Handlung erwarten, doch die Autorin weiß diesen zu einer breit angelegten Handlung zu nutzen, in der sie die verschiedenen Aspekte des Plots bruchlos miteinander zu verbinden vermag. PELLS RUF schildert nicht nur die Schwierigkeiten eines Sechzehnjährigen in einer Umwelt, die er ablehnt und von der er auch teilweise abgelehnt wird, seine Erinnerungen von und seine Sehnsucht nach Downbelow und seinen Bewohnern, sondern auch einen Neubeginn an Bord der FINITY’S END, die die Hauptlast des Kampfes gegen die Piraten getragen hat und nun zum Handel zurückkehren will. Die Junior-Offiziere bereiten sich darauf vor, die Senioren abzulösen, doch bevor dies geschieht, will die FINITY’S END noch ein Bündnis schmieden, um die Piraten von ihrem illegalen Nachschub abzuschneiden. Durch ein Handelsbündnis sollen vor allem die Kapitäne kleinerer Handelsschiffe davon abgehalten werden, mit den Mazianern Schmuggel zu treiben. Auf der letzten Station ihrer Reise, im Esperance-System, treiben die Aktivitäten der diversen Protagonisten ihrem Höhepunkt entgegen.
C. J. Cherryh hat mit PELLS RUF ihre Future History mit einem weiteren gelungenen Baustein abgerundet. Es mag sein, daß die Adoleszenz eines Sechzehnjährigen, auch wenn sie sich an Bord eines Raumschiffes zuträgt, weniger relevant als die Geschehnisse im Umfeld der Protagonisten der übrigen Romane der Future History von C. J. Cherryh anmutet und daß aus diesen Grund die Beschränkung der Handlung auf den Kampf gegen die Mazianer angebracht gewesen wäre. Andererseits hat die Autorin mit Fletcher Neihart einen Protagonisten kreiert, der so wenig Einfluß auf seine Umwelt hat wie keine ihrer Figuren zuvor und sich trotzdem darin zu behaupten weiß.

 

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