|
"Inversions",
1998, deutsche Erstausgabe, aus dem Englischen von Irene Bornhorst,
Heyne SFTB 6346, 2000, 479 Seiten, 19,90 DM.
Coverzeichnung: Thomas Thiemeyer.
|
Die
SF-Romane Iain Banks, die zuletzt in deutschen Übersetzungen erschienen
sind, gehören nicht mehr seinem KULTUR-Zyklus an, allenfalls läßt
sich ein loser Zusammenhang herstellen. INVERSIONEN ist nach VOR EINEM
DUNKLEN HINTERGRUND (Heyne SFTB 5640) und FÖRCHTBAR MASCHIEN (Heyne
SFTB 6325) der dritte Roman dieser Art, die sich thematisch freilich nicht
ähneln.
Das Romangeschehen spielt auf einem namentlich nicht genannten Planeten,
auf dem sich eine Reihe von feudalen Gesellschaftssystemen etabliert haben,
nachdem das Kaiserreich, das sie bislang umfaßte, in einem Meteroitenschauer
unterging. Der Stand von Wissenschaft und Technik entspricht ebenfalls
dem ausgehenden Mittelalter (irdischer Historie). Auf dieser Bühne
agieren die Ärztin Vosill und der Leibwächter DeWar, die, was
der Klappentext vorwegnimmt, ansonsten aber erst im Laufe des Romans deutlich
geworden wäre, nicht von dieser Welt stammen.
Vosill ist in die Dienste des Königs Queinces von Haspidus getreten,
während DeWar den General UrLeyn beschützt, der den König
von Tassasen vom Thron vertrieben hat. Banks erzählt die Erlebnisse
seiner Protagonisten nicht nur aus unterschiedlichen Erzählperspektiven,
er mißt ihnen auch unterschiedliche Bedeutung zu. Vosill versucht
neben ihrer ärztlichen Tätigkeit auch politischen Einfluß
zu nehmen, dagegen beschränkt sich DeWar auf seine Rolle als Leibwächter.
Beiden gemein ist jedoch die Suche nach ihrem persönlichen Glück,
das letztendlich nur DeWar finden wird.
Banks versetzt in INVERSIONEN zwei Protagonisten, die intellektuell und
ethisch den Menschen ihrer Wahlheimat – oder ihres Exils?!–
überlegen sind, in eine feudale Welt und läßt sie dort
ihren Zielen nachgehen. Ihrer Umwelt bleibt ihre Andersartigkeit nicht
verborgen, beide müssen eine Reihe von Demütigungen ertragen.
Aber nur Vosill wird aufgrund ihrer überlegenen ärztlichen Kunst
und ihrer politischen Äußerungen das Ziel von Intrigen (von
Adligen aus dem Hofe Königs Queinces), denen sie sich jedoch zu erwehren
weiß. Die Spannungselemente sind in den Geschehnissen um DeWar die
diversen Attentate auf UrLeyn und sein unglücklicher Krieg gegen
abtrünnige Barone.
Während bei DeWar nur sein Charakter und natürlich seine verblüffenden
Leistungen als Leibwächter von seiner Andersartigkeit zeugen, macht
Vosill neben ihrer ärztlichen Kompetenz und ihrer politischen Einflußnahme
auch durch den Einsatz einer nicht näher beschriebenen Waffe auf
sich aufmerksam, die den Menschen in ihrer Umwelt völlig rätselhaft
bleibt. Spätestens in diesen Passagen dürfte auch der unaufmerksamste
Leser die Herkunft von Vosill und DeWar als aus einer fremden Welt –
einer Welt der Kultur womöglich?! –erkennen, des Klappentextes
hätte es dazu nicht mehr bedurft.
Obwohl sich Vosill und DeWar in ihrem neuen Lebensraum nicht begegnen,
wird in Rückblenden (in die Vergangenheit DeWars) eine Bekanntschaft
zwischen ihnen ebenso wie ihre Motive für ihr freiwilliges Exil angedeutet.
Banks hat mit INVERSIONEN eine reizvolle Studie eines vielschichtigen
Geflechtes aus Politik, Ethik, Kriegen, Intrigen und persönlichen
Beziehungen verfaßt. Daß INVERSIONEN nicht die Spektakularität
von manchen seiner KULTUR-Romane erreicht, hat seinen in dem Handlungsort
des Romans: Das komplette Weltall bietet einem Autoren wesentlich mehr
Optionen als ein spätmittelalterlicher Planet. Was das Lesevergnügen,
das INVERSIONEN bietet, aber nicht mindert.
|