Peter Straub

MAGIC TERROR

„Magic Terror“, 2000, deutsche Erstausgabe, aus dem Amerikanischen von Thomas Hag, Heyne TB 13186, 2000, 432 Seiten, 15,90 DM.
Coverzeichnung: Mark Eduard.

MAGIC TERROR ist nach HAUS OHNE TÜREN (Erstveröffentlichung als Heyne Paperback 41/45) die zweite Kurzgeschichtensammlung des US-amerikanischen Autors, die in Deutschland veröffentlicht wurde. Straub ist mit Romanen wie DER HAUCH DES DRACHEN (Bastei Paperback 28123), GEISTERSTUNDE (Goldmann TB 8541), SCHATTENLAND (Heyne TB 6713) KOKO (Heyne Paperback 41/4), MYSTERY (Heyne Paperback 41/27), REISE IN DIE NACHT (Heyne, alle Angaben sind Erstveröffentlichungen) u. a. bekannt geworden, die dem Horror zugerechnet werden, auch wenn in seinen jüngeren Arbeiten der Horror nicht mehr aus anderen Welten in unsere einbricht, sondern dem Denken, Fühlen und Handeln seiner Protagonisten entspringt.
Zu dieser Art von Horror gehören auch fast vollständig die in MAGIC TERROR zusammengefaßten Kurzgeschichten. Die Protagonistin in „Zena“ ist eine Grundschullehrerin, die ihren Arbeitsplatz wechselt, sobald einer ihrer Schüler um Lebens kam. Straub deutet mit ihrer Biographie aber nur an, daß sie möglicherweise die Mörderin ist. „Isn’t It Romantic?“ fällt durch eine für Straub ungewöhnliche Themenwahl auf, denn in dieser Story räumt er mit dem James Bond-Mythos auf. Er schildert den letzten Einsatz eines Geheimagenten, der sein Ende kommen ahnt, diesem aber zu entgehen versucht.
„Das Dorf der Geister“ ist eine Episode aus dem Vietnam-Einsatz seiner Protagonisten aus KOKO, das chronologisch aber vor dem Roman angesiedelt ist. Die Patrouille wird durch feindliches Feuer in ein verlassenes Dorf getrieben, in dem sie eine grauenvolle Entdeckung macht. Doch die Wahrheit über das Geisterdorf, die brutaler als ihre Vermutungen ist, erfahren sie erst nach der Rückkehr in ihre Basis. „Im Schatten der blauen Rose“ wächst Fee Bandolier auf, mit einem tyrannischen Vater, der seine totgeprügelte Frau wie eine Kranke pflegt. Aus dieser Atmosphäre bieten Fee auch das Kino und seine alptraumhaften Zeichnungen keinen Fluchtweg an.
„Pork Pie Hat“ ist die Geschichte eines Interviews, das ein Student mit der Jazzlegende Hat führt. Da er als Zeitpunkt für das Gespräch Halloween bestimmt hat, erzählt ihm Hat eine Episode, die sich an demselben Tag in seiner Kindheit in Woodland im US-Bundesstaat Mississippi ereignet hat. Gemeinsam mit einem Freund drang er in den Abendstunden in die Backs ein, eine Hüttensiedlung im Wald, gesellschaftlichen Randgruppen bewohnt wurde, und wo sie Zeugen der Folterung und des Mordes an einer jungen Frau wurden. Tage später stellt sich die Frau jedoch als lebendig heraus (da sie wenige Jahre später stirbt, ist aber ein Zusammenhang mit dem Geschehnissen in den Backs wahrscheinlich), während ein anderes Mordopfer gefunden wird, wenn auch nicht in den Backs.
In „Hunger. Eine Einführung“ versucht die Straub die Blickwinkel zu beschreiben, aus denen Geister hingerichteter Mörder die Lebenden sehen. Den „Knüppel aus dem Sack“ läßt ein Finanzmakler, der seine Frau inklusive ihres Liebhabers für ihre Untreue bestrafen will. Doch Mr. Clubb und Mr. Cuff, die er als Experten für solche Unternehmungen engagiert, wenden sich nach dem Tod seiner Frau gegen ihn – entsprechend ihrem, nun, Berufsethos. „Knüppel aus dem Sack“ ist die längste Kurzgeschichte in MAGIC TERROR und enthält die bislang brutalsten (Folter-) Szenen in den Arbeiten Straubs.
MAGIC TERROR bietet durchweg eindringliche (unübertroffen bleibt „Pork Pie Hat“), abgründige Kurzgeschichten, die nicht immer jeden Widerspruch aufklären, was ihnen aber nicht schadet und den Leser mitunter auch heftig provozieren. (Was beispielsweise in „Knüppel aus dem Sack“ vor sich geht, mutet alttestamentarisch an: Dem Protagonisten wird dasselbe wie seiner Frau angetan.) Der Titel der Storysammlung ist vollauf berechtigt, der Autor schickt seine Protagonisten in der Tat durch MAGIC TERROR. Und damit auch dem Leser, doch diesem bleibt immerhin die Möglichkeit, sich dem MAGIC TERROR jederzeit zu entziehen.

 

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