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Andreas Eschbach
EXPONENTIALDRIFT
Ergänzter
Nachdruck, 2003, Bastei/Lübbe TB 14912, 268 Seiten, 6,90
EUR.
Coverzeichnung: Jennifer Jones.
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Der
vorliegende Band enthält den Fortsetzungsroman Eschbachs, der von
September 2001 bis Juli 2002 in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG
erschien. Der Roman umfaßt 42 Folgen, die mit den vorangestellten,
seinerzeit aktuellen Schlagzeilen etwa 200 Seiten einnehmen. Auf den übrigen
60 Seiten berichtet der Autor über die Entstehung und die Arbeit
an seinem Roman. Das ist natürlich interessant, und hat verhindert,
daß ein allzu schmales Bändchen entstanden wäre, hätten
sich der Autor und der Verlag nur auf die Zusammenfassung der Folgen beschränkt...
Das Besondere von EXPONENTIALDRIFT als Fortsetzungsroman ist wohl, daß
beim Abdruck der ersten Folge dem Verlag der Roman nicht komplett vorlag.
Die Folgen wurden vielmehr zwei- bis vierwöchentlich im voraus geschrieben,
was dem Autor Gelegenheit gab, in der Handlung hin und wieder auf aktuelle
Geschehnisse Bezug zu nehmen. Das ist sowohl für den Autor (worauf
Eschbach in seinem Nachwort auch hinweist) als auch für den Leser
eine besondere Erfahrung, wäre aber für den Aufbau und für
den Ablauf der Handlung nicht unbedingt erforderlich gewesen.
Bernhard Abel erwacht aus einem mehrjährigen Koma, spektakulär
vor der Kamera eines Fernsehteams. Doch der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
vermag er zu entgegen, er richtet seinen Blick nach innen: Abel hat den
Eindruck, nicht der zu sein, für den ihn die Ärzte, seine Familie
und seine Freunde halten. Ein Fremder, dem offenbar ein ähnliches
Schicksal widerfahren ist, versucht ihn aufzuspüren, und auch seine
Freunde nehmen Kontakt mit ihm auf: Mit ihnen war er an einer Verschwörung
beteiligt, die er vor seinem Unfall vereitelte.
Eschbach baut also genügend Rätsel auf, die im Laufe der Handlung
zu lösen sind, was erst in den letzten Folgen geschieht, in denen
auch das Handlungstempo zunimmt. Die Redaktion der FAZ hatte Eschbach
zuvor bedeutet, daß sie einen kurzfristigen Abschluß des Fortsetzungsromans
wünscht. Bei einem komplett vor dem Abdruck geschriebenen Fortsetzungsroman
hätte Eschbach nicht vor dem Problem gestanden, die Handlungsstränge
nun einem befriedigenden Ende bringen müssen.
Es spricht für die schriftstellerische Kompetenz Eschbachs, daß
er in der Tat kein Rätsel ungelöst läßt, vor allem
das nicht, was er unter EXPONENTIALDRIFT versteht. Es ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit
der Menschheit, die diverse Außerirdische in Furcht versetzt, und
die deshalb in den Verstand von Komapatienten eindringen, um Einfluß
auf die Entwicklung der Menschheit nehmen zu können. Es ist bemerkenswert,
daß er diese reizvolle Idee unter den engen Produktionsbedingungen
eines Fortsetzungsromans – eine Folge umfaßt durchschnittlich
vier Seiten – umsetzen konnte.
Erkennbar wird aber auch, daß Eschbach in dem Fortsetzungsroman
sowohl sein Potential als auch das seines Plots nicht ausschöpfen
konnte. Das abrupte Ende des Romans überrascht den Leser, die EXPONENTIALDRIFT
drängt sich förmlich dafür auf, der Beginn eines umfangreicheren
Buches zu werden (von denen Eschbach bereits einige geschrieben hat, wie
DAS JESUS-VIDEO, QUEST oder EINE BILLION DOLLAR). Eschbach hat sich allerdings
bewußt, auch das erläutert er in seinem Nachwort, gegen eine
erweiterte Fassung der EXPONENTIALDRIFT entschieden (eine Entscheidung,
die er natürlich jederzeit revidieren kann.)
EXPONENTIALDRIFT kann natürlich nicht nur als literarisches Experiment
gelesen werden, dem eine hochinteressante Idee zugrundeliegt, die innerhalb
gewisser, produktionsbedingter Grenzen souverän umgesetzt wurde,
sondern auch als Buch, dessen Lektüre sich in Situationen anbietet,
in den häufig mit Störungen zu rechnen ist...
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