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Michael Marrak
LORD
GAMMA
Nachdruck,
Bastei/Lübbe-TB 24301, 2002, 556 Seiten, 7,90 €.
Coverzeichnung: Thomas Thiemeyer.
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Mit
LORD GAMMA gelang Michael Marrak seine erste Veröffentlichung außerhalb
von Kleinverlagen, ein besonderer Coup, weil der Roman ursprünglich
als Hardcover im Berliner Shayol erschienen ist. Die Taschenbuchausgabe
macht LORD GAMMA nicht nur einem größeren Leserkreis zugänglich,
sondern erfreulicherweise auch deutlich preiswerter. Es ist doch verständlich,
daß ein potentieller Leser von einem ihm bislang unbekannten Autoren
nicht unbedingt ein teures gebundenes Buch kauft.
LORD GAMMA ist (zunächst) die Stimme aus dem Autoradio Stan Ternaskys,
der mit seinem Fahrzeug auf einer schnurgeraden, leicht abschüssigen
Straße durch eine Steppenlandschaft rollt, die sich in Abständen
von 180 Kilometern wiederholt. In jeder dieser Zonen existiert ein Bunker,
in dem über 600 Menschen leben – in jedem Bunker dieselben
Menschen. Ternasky ist auf Anweisung Lord Gammas auf der Suche nach den
Klonen seiner Frau Prill, nach ihrem Alpha-Klon, ohne jedoch anfangs von
seiner eigenen Rolle und den Absichten Lord Gammas eine Ahnung zu haben.
Die Handlung spielt sich auf drei Ebenen ab: Ternaskys Aktionen und Erlebnisse
in den Bunkern und in den sich wiederholenden Landschaften, das Erwachen
eines Protagonisten in Räumen, die zu einem Flugzeug gehören
(und der wie erahnbar mit Ternasky identisch ist) und die Darstellung
einer Frau, die sich langsam ihrer selbst bewußt wird.
Ternasky dringt in zwei weitere Bunker ein, trifft dort aber auf erheblich
mehr Widerstand als zuvor. Es ist offensichtlich, daß die wiederkehrenden
Landschaften, die Bunker und die Klone in ihnen Teil eines Experimentes
sind, offenbar um zu beobachten, wie sich Menschen in verschiedenen Gesellschaftsformen
verhalten, denn kein Bunker gleicht dem anderen, was die Form des Zusammenlebens
der Bewohner angeht. Doch welchen übergeordneten Zweck dieses Experiment
erfüllt, zeigt sich Ternasky und dem Leser erst, als Lord Gamma nicht
nur als Stimme, sondern auch als Person die Szene betritt.
Der Ideenreichtum des Autors zeigt sich von Beginn an. In den ersten zwei
Dritteln des Romans, die in den Bunkern und auf der Straße spielen,
entwirft er groteske Gesellschaftsformen und inszeniert schnelle Verfolgungsjagden
sowohl unter als auch über der Oberfläche. Marrak zeichnet sich
auch durch einen prägnanten und zügigen Stil aus. Ein Steigerung
erfährt der Einfallsreichtum des Autors im letzten Drittel des Romans,
in dem Marrak ein regelrechtes Feuerwerk abbrennt – um LORD GAMMA
mit einem plausiblen Plot versehen zu können?!
Ternasky hält Gamma zunächst für einen Opponenten innerhalb
der Lords, doch er ist ein Alien, der zusammen mit den übrigen Besatzungsmitgliedern
seines Raumschiffes in einer virtuellen Datensphäre gefangen wurde,
die die Menschheit in der Zukunft schuf. Die Suche nach Prills Alpha-Klon
diente dem Zweck, die tatsächlichen Lords auf die bislang ignorierten
Gefangenen aufmerksam zu machen. Doch das erklärt noch nicht Stans
und Prills Anwesenheit in der Datensphäre, davon abgesehen, daß
sie mit den übrigen Passagieren aus dem Flugzeug entführt wurden,
in der Ternasky in der zweiten Handlungsebene erwacht. Das immerhin wird
dem Leser schnell klar.
Marrak konfrontiert seine Protagonisten schließlich mit einer neuen
Form der menschlichen Existenz und einer kosmischen Katastrophe, die dies
neue Menschheit auszulöschen droht. Hier finden Stan und Prill ihre
Existenzberechtigung, die über ihre Eigenschaft als Subjekte für
Experimente hinausgeht. Auch hier entwickelt Marrak nichts prinzipiell
Neues, aber es gelingt ihm, die Klippen, an denen die Plausibilität
seiner Handlung zu scheitern droht, mitunter rasant zu umschiffen.
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