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Ursula K. LeGuin
DIE
ERZÄHLER
„The
Telling“, 2000, deutsche Erstausgabe, aus dem Amerikanischen
von Biggy Winter, Heyne SFTB 6382, 2001, 237 Seiten, 15,55 DM/7,95
EUR.
Coverzeichnung: Steve Stone.
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Auch
die US-amerikanische Autorin Ursula K. LeGuin hat neben Fantasy-Romanen
ihre eigene Future History geschrieben. Ein Großteil ihrer SF-Romane
ist in dem Hainish-Universum angesiedelt, darunter ihre bekanntesten wie
WINTERPLANET (u. a. als Heyne SFTB 3400) und PLANET DER HABENICHTSE (u.
a. als Heyne SFTB 3505). Die Future History der Autorin ist das der Ökumene,
eines lockeren, nicht näher beschriebenen Bundes diverser Spezies,
der von der alten Rasse der Hainish begründet wurde. DIE ERZÄHLER
ist in diesem Universum angesiedelt, mit knapp 240 Seiten erfreulich kompakt
zwischen den Wälzern und Backsteinen, die üblicherweise als
Neuerscheinungen publiziert werden...
Auch die Erde ist der Ökumene beigetreten, allerdings gefolgt von
einer Phase des religiösen Fundamentalismuses und der Fremdenfeindlichkeit.
Erst das Ende dieses Regimes ermöglichte es Sutty Dass, die Universität
der Ökumene zu besuchen und Beobachterin auf dem erst kürzlich
entdeckten Planeten Aka zu werden, dessen Regierung das entgegengesetzte
Ziel verfolgt: die Unterdrückung alles Religiösen. Als erste
Beobachterin wird Sutty eine Reise in das Landesinnere gestattet. Dort
stellt sie fest, daß die Religion Akas noch keineswegs völlig
untergegangen ist.
Dabei ist die Religion Akas keineswegs mit denen der Erde zu vergleichen.
Sie weist keinen Gott, Rituale und Schriften aus, sondern besteht schlicht
aus dem „Erzählen“, mit dem historische und fiktive Geschichten,
Informationen, Weisheiten u. a. von einer Generation zu der nächsten
vermittelt werden. Das „Erzählen“ ist allenfalls in dem
Sinne reaktionär, als daß es die Geschehnisse der letzten Generationen,
den Kontakt mit der Ökumene und vor allem mit den Menschen, noch
nicht verinnerlicht hat. Doch ist das der einzige Grund für die Verfolgung
dieser „Religion“?
Die Autorin entwirft in DIE ERZÄHLER religiöse und atheistische
Gesellschaftsmodelle und stellt sie gegeneinander: auf der einen Seite
der überwundene religiöse Fundamentalismus der Erde, auf der
anderen die Intoleranz der Akaner gegenüber ihrer eigenen Vergangenheit.
Der Zusammenhang zwischen ihnen offenbart im Laufe der Handlung den Grund
für die jüngste historische Entwicklung auf Aka. Das mag zeitweise
etwas theoretisch anmuten, weil die Autorin ihre Konzepte nicht nur in
Handlungen, sondern auch in seitenlangen Beschreibungen darbietet. Das
Romangeschehen wird von den Reisen der Protagonistin bestimmt, zunächst
nach Okzat-Ozkat, später zur letzten erhaltenen Bibliothek und von
den Rückblicken in Suttys Vergangenheit und damit auch in die der
Erde.
DIE ERZÄHLER ist trotz seines vergleichsweise geringen Umfanges ein
vielschichtiges und interessantes Buch, ähnelt aber früheren
Romanen der Autorin (beispielsweise den anfangs erwähnten), in den
sie bereits wirtschaftliche, soziale und ökologische Konzepte von
Zukunftswelten entwarf. Auch wenn DIE ERZÄHLER ein wenig Mehr an
Handlung nicht geschadet hätte bleibt es gutes Beispiel dafür,
daß ein lesenswerter Roman nicht zwangsläufig einen epischen
Umfang annehmen muß.
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