Der Alarm zerstörte Loren Estlemans Hoffnungen auf einen ruhigen und ungestörten Flug, dem Jungfernflug der SHENANDOAH als Hospitalschiff. Das Raumschiff war auf den Mondwerften umgebaut worden, ein ehemaliger kleiner Frachter, dessen geringe Ladekapazität keine gewinnbringenden Flüge mehr erlaubte. Trotzdem verstanden es die Minengesellschaften, die SHENANDOAH profitbringend einzusetzen, diesmal als Hospitalschiff für die Bergwerksarbeiter im Asteroidengürtel.
Estleman war überrascht und verärgert über den Alarm. Nicht etwa, weil auf dem ersten Flug zum Asteroidengürtel keine Patienten an Bord des Schiffes waren - keine Patienten, keine Schäden an den medizinischen Geräten. Nein, Estleman war Mitwisser, Mitarbeiter und - als Belohnung für seine Beteiligung - Nutznießer eines bestimmten Plans, den er durch den unerwarteten Alarm gefährdet sah. Er stürzte aus seiner Kabine.
Die medizinische Abteilung war hell erleuchtet, obwohl das in doppelter Hinsicht nicht nötig und vorgesehen war; zum einen würde sie unter regulären Bedingungen erst im Asteroidengürtel in Betrieb genommen werden, zum anderen sollte sie in ihrem Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt eine wichtige Rolle spielen. Das grelle Licht wurde von den sauberen, frisch gestrichenen Wänden reflektiert. Estleman, der aus der diffusen Beleuchtung des Wartungsschachtes trat, wartete einen Moment, bis sich seine Augen an diese verschwenderische, aber kalte Lichtfülle angepaßt hatten.
Die Räume vor ihm schienen geräuschlos und verlassen, doch dann wurde Estleman auf ein schwaches Summen aufmerksam. Das zweite Schott rechterhand stand offen. Es führte in den Raum, in dem die Regenerationstanks untergebracht waren. Estleman trat durch das Schott.
Die drei Regenerationstanks standen in Meterabständen und leichtgeneigt an der Stirnseite des Raums nebeneinander. Sie schienen wie vergrößerte metallische Särge, deren bewegliche Oberteile, abgesehen von den Einfassungen, aus einer einzigen Sichtscheibe bestanden. Die Anzeigendisplays der beiden Tanks linkerhand waren dunkel. Doch aus dem dritten Tank hob der Assistenzarzt der SHENANDOAH, Stuart Kaminsky, einen dunklen Körper heraus.
Vor dem Regenerationstank standen zwei Transportbahren. Auf der ersten lag eine nackte, unnatürlich blasse Frau. Der Arzt zog die zweite Bahre heran, nahm dem Körper aus dem Tank die Sauerstoffmaske ab und legte ihn auf die Bahre. Kaminsky wischte die silbrige, zähe Flüssigkeit aus dem Gesicht, reinigte auch den Torso, die Arme und Beine notdürftig und trat zurück.
Estleman erkannte die Frau auf der zweiten Bahre; es war Sybille, die einzige Pflegerin, die derzeit an Bord war. Die übrigen Ärzte und Pflegekräfte sollten erst im Asteroidengürtel an Bord der SHENANDOAH gehen. Aber auch das war im Plan berücksichtigt worden. Die Besatzung der SHENANDOAH bestand auf diesem Flug nur aus vier Mitgliedern: aus dem Piloten Dick Stodghill, Kaminsky, Sybille und ihm, Estleman, dem Techniker. Weitere Besatzungsmitglieder hätten die Ausführung ihres Plans unmöglich gemacht - Kaminsky war als einziger nicht an ihm beteiligt.
Mühsam unterdrückte Estleman einen Anflug panischer Furcht. Ihm war unerklärlich, was Sybille dazu bewogen hatte, in den Tank zu steigen! Das war nicht vorgesehen - weder zu diesem Zeitpunkt noch mit Sybille als Tankpatientin. Kurz vor dem Asteroidengürtel wollten sie die SHENANDOAH in ihre Gewalt bringen und zu den Jupitermonden umlenken. Die Industriebosse würden für die Lösung ihrer Nachwuchsprobleme Unsummen zahlen!  Für die Erzminen auf den Monden der äußeren Planeten ließen sich Arbeiter nur mit horrenden Verpflichtungsprämien anwerben. Einfacher und billiger wäre es, könnten die Minengesellschaften die vorhandenen Arbeitskräfte einfach kopieren. Sybilles Entdeckung sollte das Trio steinreich machen.
Es war Estleman zwar unverständlich, wie eine Pflegerin, die über keine wissenschaftliche Ausbildung verfügte, ein kompliziertes Kloningverfahren entwickeln konnte, doch die Gewinnaussichten ihres Projektes ließen ihn seine Bedenken schnell vergessen. Das Risiko wog die Gewißheit, den größten Teils seines Lebens sonst auf irgendwelchen Raumschiffen im Sonnensystems verbringen zu müssen, allemal auf.
Die Frauen auf den Bahren waren identisch. Nein, bemerkte Estleman, sie waren nicht identisch. Es gab einen Unterschied: ihre Hautfarbe. Die der ersten Frau war hellweiß, die der zweiten leicht gebräunt. Auf dieses Detail hatte
ihn Sybille nicht hingewiesen, aber ansonsten war er nicht überrascht über den Anblick, der sich ihm bot. Beide Frauen waren bewußtlos, aber das war nach dem Ende oder der Unterbrechung einer Regenerationsphase nicht außergewöhnlich.
"Ich kam noch rechtzeitig," sagte der Arzt, "bevor die zweite Frau im Tank erstickte." Er wies mit der Hand auf die blasse Frau. "Wie es scheint, haben wir es hier nicht mit einer Regeneration, sondern mit einer Reproduktion zu tun. Wie immer die auch funktionieren mag."
Estleman bedeutete dem Arzt, beiseite zu treten. Kaminsky schob die Bahren an die Wand rechterhand. Estleman zwängte  sich zwischen die Regenerationstanks, löste die Verschlüsse am dritten Tank und hob die Verkleidung des Gerätes ab. Ihm bot sich der vertraute Anblick der verwirrenden Vielfalt elektronischer Bauteile und scheinbar chaotischer Schlauchleitungen - und von etwas Unvertrautem.
Es war ein graues, quaderförmiges Gerät mit wenigen Zentimetern Kantenlänge, das direkt mit den elektronischen Steuerelementen verbunden worden war und auf dem winzige, rote Leuchtdioden blinkten. Kaminsky war zu ihm getreten und schaute ihm über die Schulter. "Ich weiß, daß sie es dort eingebaut haben," sagte er.
Es war offensichtlich, daß Sybille auch Kaminsky in ihren Plan eingeweiht hatte, überlegte Estleman. Aber warum? Kaminsky wandte sich dem Tank zu. "Gut, daß sie gekommen sind," sagte er. "Sie können mich hinterher aus dem Tank herausholen. Es ist faszinierend, sich ohne eine Frau reproduzieren zu können." Kaminsky berührte einige Tasten auf dem kleinen Bedienerpult, stieg in den Regenerationstank, schob sich die Sauerstoffmaske über das Gesicht und umfaßte den durchsichtigen Tankverschluß, bereit, ihn zuzuschlagen.
Estleman kroch aus der Lücke zwischen den Tanks und wich an die Wand zurück. Kaminsky warf den Regenerationstank zu. Estleman spürte, daß das Gerät zu arbeiten begann. Das Summen schwoll an, er spürte eine leichte Vibration und sah, wie eine zähflüssige, silbrige Flüssigkeit in dem Tank aufstieg - und sich Kaminsky innerhalb weniger Sekunden in eine formlose, rote Masse verwandelte. Der Regenerationstank schaltete sich ab und gab Alarm - einen hohen, schrillen Ton.
Mit steifen Schritten trat Estleman zum Tank und schaltete den Alarm ab. Er vernahm schwere Schritte und wandte sich um. Der schwergewichtige Dick Stodghill trat durch den Schott. Unbemerkt hatten sich Sybille und ihr Zwilling auf den Bahren aufgerichtet. "Ich verstehe nichts," sagte Estleman und schwenkte hilflos die Arme. "Okay, Kaminsky hätte uns nützlich sein können. Aber warum hat es bei Sybille funktioniert? Warum hat es ihn getötet?"
Stodghill blieb neben dem Schott stehen und lächelte. Estleman wandte sich erneut um, als Sybille von ihrer Bahre stieg. Ihr Alter ego verharrte abwartend. "Dich brauchten wir, um die Tanks zu modifizieren," antwortete Sybille. "Den Arzt brauchte ich, um sie aus dem Tank zu holen, bevor sie erstickte." Sybille wies auf ihr Ebenbild. "Es hat Kaminsky getötet, weil er nicht von unserer Art ist."
Estleman begriff - sie waren Aliens, die bislang unentdeckt in der menschlichen Einflußsphäre gelebt hatten. Aber in dem Moment, in dem sie mit ihrer Reproduktion begonnen hätten, wären sie unweigerlich zum Objekt sehr großer Aufmerksamkeit geworden, zum Spielball der Gewinnsucht der Konzerne. Estleman erkannte auch, daß er nur eine winzige Chance hatte, wollte er mit ihnen nicht in den Weiten des Alls verschwinden, wirbelte herum und stürzte auf das Schott zu. Er spürte den Schlag in seinem Genick –