Mit einem Tritt stieß Arlinda den Wasserbottich von dem niedrigen Hocker. Der Bottich prallte auf den Boden, zerbarst aber wegen der Eisenbänder, die ihn zusammenhielten, nicht.
Arlinda wußte, daß sie nicht mit der Geduld ihres Vaters rechnen konnte, wenn sie den Bottich beschädigen würde. Aber das Gefäß war wie alles, das ihr Vater anfertigte, solide gemacht. Das schmutzige Wasser ergoß sich über die Steinfliesen, vermischte sich mit dem Ruß, der Asche und den Metallspänen und floß zur Außenwand ab. Der Fußboden war geneigt, damit das Wasser aus einem versehentlich umgestoßenen Bottich nicht an die steinernde Einfassung der Esse gelangen konnte, wo es nicht nur Dampf erzeugen, sondern auch die heißen Steine zum Zerplatzen bringen könnte.
Jorik Leynier hielt in seinen Bewegungen inne. Er stand auf den separat beweglichen Gliedern des großen Blasebalgs, auf denen er auf und ab getreten war, wie auf einer Treppe, aber auf der Stelle tretend, um Luft in die Esse zu blasen. Er war ein breiter, aber nicht großer Mann, dessen Arme und Hände muskulös und mit Brandnarben übersät waren. Seine rechte Hand, die eine Zange hielt, war mit einem Handschuh geschützt. Jorik hob die Zange aus der Glut, in deren Griff sich das gelbglühende Blatt einer Hellebarde befand. Er ließ das Werkzeug sinken, stieg vom Blasebalg herunter und wandte sich seiner Tochter zu.
Arlinda stemmte die Hände in die Hüften. Wie ihr Vater trug sie eine lederne Schürze, die sie von der Brust bis zu den Knien bedeckte. Sie war einen Kopf größer als ihr Vater und auch nicht blond wie er, sondern schwarzhaarig. Die Talgleuchten an den Wänden warfen diffuse Muster auf ihr Gesicht. Die Läden vor den drei Fenstern, eines in jeder Wand, von der Frontseite abgesehen, hatte Arlinda vor wenigen Minuten geschlossen.
"Du hattest mir versprochen, daß der Laranzu gegen Mittag kommen würde," herrschte sie ihren Vater an. "Ich hätte nicht auf die Straße gehen müssen, um zu wissen, daß es bereits dämmert. Es ist nur ein kurzer Aufschub, den du dir durch diese Lüge, durch dieses sinnlose Warten verschafft hast."
Jorik hob beschwichtigend die linke Hand, legte das glühende Metallstück vorsichtig auf den großen Amboß rechterhand und warf die Zange auf die Werkbank dahinter, wo sie polternd aufschlug. Über der Werkbank hingen in zwei Reihen übereinander unterschiedlich geformte Stech- und Schlageisen für die Bearbeitung der glühenden Schmiedestücke.
"Wahrscheinlich ist der Laranzu vom Wetter aufgehalten worden," versuchte er Arlinda zu beruhigen. "Du weißt, daß in den letzten Tagen der erste Schnee gefallen ist. Da der Boden aber noch nicht gefroren ist, sind die Straßen vor Thendara jetzt matschig." Jorik wußte, daß der Laranzu auch einen anderen Grund für seine Verspätung haben konnte. In den Straßen Thendaras waren seit ein paar Tagen mehr Patrouillen des Regenten unterwegs als üblich. Er hoffte, daß der Überwacher genug Geschick bewiesen hatte, um ihnen zu entgehen. Die ständigen Auseinandersetzungen mit seiner Tochter kosteten ihn viel Kraft. Um sie endlich zu beenden, hatte er mit dem Zauberer eine Übereinkunft geschlossen.
Arlinda schüttelte den Kopf. "Ich weiß sehr wohl, daß du mich mit dem Sohn des Hofschmiedes der Hasturs verheiraten willst. Damit hättest du nicht nur einen Nachfolger für Deine Schmiede, sondern könntest auch am Hof der Hasturs, im Haus des Regenten, ein- und ausgehen," rief sie aus. "Und, wer weiß, insgeheim rechnest du vielleicht selbst damit, an den Hof der Hasturs berufen zu werden. Aber ich weiß auch, daß ich die Gabe des Larans besitze, und deswegen werde ich mich dir nicht fügen."
"Ich weiß nicht mehr, wie oft wir darüber gesprochen haben," antwortete Jorik ruhig. "Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Du läßt Dich testen, ob du über die Zauberkräfte verfügst oder nicht. Du weißt, daß ich nicht daran glaube, daß Du ein Comyn bist. Du hast mir versprochen, meinem Willen zu folgen, wenn die Untersuchung des Laranzu mich bestätigen wird. Du bist sechzehn, also bereits über das übliche Alter hinaus, in dem sich eine Frau di catenas an einen Mann bindet. Dieser Mann muß nicht der Sohn meines Freundes Rafael Delleray sein. Aber bedenke bitte: Auch ich werde alt, und die Gilde wird es nicht zulassen, daß ich dir die Schmiede übergebe. Ich mußte einen hohen Preis zahlen, um dich als Lehrling aufzunehmen. Ich darf neben dir keine weiteren Gesellen beschäftigen."
Die Frau schwieg für einen Moment. "Ich will deine Schmiede nicht fortführen, Vater," sagte Arlinda leise. "Ich will in einem Turm aufgenommen werden, um dort mein Laran ausbilden zu lassen und um danach dort zu arbeiten. Ich bin bereit, dafür in die Hellers zu gehen, wenn es nötig ist, und mir würde es bereits genügen, eine einfache Larantechnikerin zu werden. In meinen Träumen sehe ich mich nicht als die zukünftige Bewahrerin des Turms von Arilinn."
Die Tür an der Frontseite der Schmiede schwang unvermittelt auf. Ein schlanker, hochgewachsener Mann, der mit einem langen, grauen Mantel bekleidet war, betrat die Schmiede. Sein Gesicht wurde von der Kapuze, die über seinen Kopf gestülpt war, verdeckt. Der Mantel war an manchen Stellen durchnäßt. Der Luftzug, der durch die geöffnete Tür entstand, fachte die Glut in der Esse an. Der Mann schloß die Tür, schob die Kapuze zurück und offenbarte hellrotes Haar, das sein schmales Gesicht bis zum Kinn umrahmte.
Er verneigte sich. "Bitte entschuldigt mein unaufgefordertes Eintreten, werte Dame und geehrter Herr. Ich habe geklopft, aber ihr wart offenbar so sehr in eurer Gespräch vertieft, daß ihr es nicht wahrgenommen habt. Ich bin Reidel Aldaran von Scathfell, Überwacher in dem Turm von Neskaya. Ihr müßt Domna Arlinda sein," sagte er zu der jungen Frau gewandt.
Arlinda nickte. "Ich habe nicht erwartet, daß ihr noch kommen würdet. Seid gegrüßt," erwiderte sie höflich.
Jorik Leynier entspannte sich. Er löste den Knoten, der seine Schürze im Rücken zusammenhielt, und streifte sie ab. Arlinda folgte seinem Beispiel. Jorik nahm ihre Schürze entgegen und hängte beide auf einen Haken neben der Werkbank. "Bitte gebt mir euren Mantel," forderte er Reidel auf. "Hier wird er schnell trocknen." Jorik nahm das Kleidungsstück entgegen und hängte es auf einen weiteren Hacken. "Bitte genießt meine Gastfreundschaft in meinen Wohnräumen. Erlaubt mir, daß ich vorausgehe."
Bis zu dem Konflikt wegen seiner Tochter hatte Jorik Leynier zu den einflußreichen und wohlhabenden Mitgliedern der Schmiedegilde gehört. Seine Werkstatt und sein Haus spiegelten das noch wider. Die Wände des Gebäudes waren gemauert, und über der Schmiede befanden sich die Wohn- und Schlafräume für die Familie des Schmiedes und für seine Gesellen, die durch den Rauchabzug der Esse, der hier in einen Schornstein mündete, beheizt wurden. Üblicherweise befanden sich die Wohnräume in einem Anbau der Schmiede.
Jorik stieg gefolgt von Reidel und Arlinda die Treppe an der Rückseite des Gebäudes hinauf. Sie erreichten die Küche, die auch als Speiseraum diente. Der Ofen war Bestandteil des steinernen Rauchabzuges. Arlinda warf einen Blick auf den Ofen und ein kleines Feuer loderte auf, ohne daß die Männer es bemerkten. Jorik bat Reidel, sich an den hohen Tisch zu setzen. Arlinda und ihr Vater wuschen sich die Gesichter und die Arme in den Wasserschüsseln, die auf der Anrichte standen, bevor sie ebenfalls Platz nahmen. Arlinda saß dem Laranzu gegenüber, Jorik rechts neben ihm an der Stirnseite des Tisches.
"Euer Vater hat mir berichtet, daß ihr davon überzeugt seid, mit Laran begabt zu sein, Domna Arlinda" begann Reidel. "Er hat mich gebeten, euch zu testen." Er zog einen kleinen Beutel hervor, den er, an einer unscheinbaren Schnur befestigt, vor seiner Brust trug. Der Laranzu öffnete den Beutel, drehte ihn um und ein kleiner, blasser blauer Stein rollte in seine Handfläche.
Arlinda nickte. "Ich kann Feuer entfachen," sagte sie. "Meine Mutter war eine der Töchter von Clariza Heynier, die mit Allart Ardais in einer Freipartner-Ehe lebte. Sie hatten zusammen fünf Kinder. Ich muß euch nicht daran erinnern, daß die Ardais' zu den mächtigsten und begabtesten Familien in den sieben Domänen gehören."
"Das ist nicht richtig," warf Jorik ein. "Deine Mutter war eine nedestro. Allart Ardais war während seiner gesamten Regentschaft mit Caitlin Hastur di catenas verbunden. Seine Beziehung zu Clariza war außerehelich, und er hatte sie auch nach dem Tod Caitlins nicht zu einer Freipartner-Frau genommen. Das ist eine Deiner Wunschvorstellungen, ebenso wie Deine Laran-Kräfte. Deine Haare sind schwarz, nicht der kleinste Rotschimmer weist Dich als Comyn aus."
Reidel Aldaran von Scathfell unterbrach die Diskussion mit einer herrischen Handbewegung. "Ist eure Mutter noch am Leben?", fragte er Arlinda, die unmerklich den Kopf schüttelte. Jorik antwortete an ihrer Stelle. "Sie ist bei Arlindas Geburt gestorben," sagte er. "Meine Tochter ist mein einziges Kind."
Der Laranzu hob die rechte Hand, in der der blaue Sternenstein lag. "Ich werde euch nun testen," wandte er sich erneut an Arlinda. "Entspannt euch, und versucht, eure Gedanken zu bezähmen." Arlinda nickte, atmete tief ein und schloß die Augen. Reidel konzentrierte sich auf seine Matrix, die sofort aufleuchtete. Der aufglühende Sternenstein warf ein gleichmäßiges, hellblaues Licht auf Arlindas Gesicht. Jorik schloß ehrfürchtig die Augen.
Reidel hatte nicht beabsichtigt, Arlinda tatsächlich zu testen. Aber auch für eine simple Täuschung, für einen nur aufglühenden Sternenstein, der für keine weiteren Aktivitäten benutzt werden sollte, mußte er sein Laran einsetzen. Er öffnete seinen Geist und nahm Arlindas mentale Aura wahr. Er erschrak, faßte sich aber sofort und tastete vorsichtig und geschickt, wie er es als Überwacher in dem Turm von Neskaya oft genug getan hatte, ihren Geist ab. Reidel wußte, daß er erfahren genug war, um Arlinda nichts davon spüren zu lassen. Menschen wie sie waren ihm bereits mehrfach begegnet, mit Laran begabt, aber nicht immer den Familien der Comyn direkt zugehörig.
Der Laranzu zog sich vorsichtig aus Arlindas Geist zurück. Die Frau und ihr Vater hielten die Augen noch geschlossen, so daß ihm einige Augenblicke blieben, um über seine nächsten Schritte nachzudenken. Er mußte die Entscheidung rasch fällen, aber er wußte, daß er seinem Auftraggeber in der Gegenwart Arlindas nicht die Wahrheit sagen konnte. Reidel ließ den Sternenstein erlöschen und legte ihn in den Beutel zurück. "Es ist vorbei," sagte er.
Arlinda und Jorik schlugen die Augen auf. Reidel erhob sich und wandte sich an den Schmied. "Darf ich euch bitten, mich in die Schmiede zu begleiten? Ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen. Eure Tochter möge hier solange warten." Der Laranzu drehte sich um und ging die Treppe hinab. Jorik sah überrascht auf, stieß den Stuhl zurück, erhob sich und folgte ihm rasch. Er bemerkte nicht, daß auch Arlinda aufstand.
Reidel eilte zur Tür und wartete dort auf den Schmied. Er wollte unbedingt vermeiden, daß Arlinda sein Gespräch mit ihrem Vater belauschen konnte. Jorik erreichte ihn, packte ihn an den Aufschlägen seines Hemdes, riß ihn vom Boden hoch und drückte ihn gegen die Tür. "Was sollte das, Eidbrecher?" fragte der Schmied wütend. "Warum habt ihr Arlinda nicht sofort gesagt, daß ihre Laranbegabung nur eine Illusion ist, die sie selbst geschaffen hat?"
"Bitte beruhigt euch, Dom Leynier," stieß Reidel hervor. "Bitte hört mir aufmerksam zu. Eure Tochter verfügt über Laran, über ein Potential, das sie zwar noch beherrscht, das aber ungeschult ist und in dieser Form eine große Gefahr für eure Tochter und für die Menschen in ihrer nächsten Umgebung darstellt. Bitte, erlaubt mir, Arlinda in einen Turm zu vermitteln."
Jorik Leynier lachte freudlos. "Kein Turm wird euch mehr anhören, Eidbrecher. Ich gebe nichts auf die Meinung eines Überwachers, der in maßloser Selbstüberschätzung als Heiler arbeiten wollte und dabei schmählich versagte. Verlaßt sofort mein Haus. Aber da ich ein Ehrenmann bin, sollt ihr nicht ohne eure Entlohnung gehen." Der Schmied löste seinen Griff, ging zur Werkbank, zog eine Schublade heraus, entnahm ihr einen kleinen, prall gefüllten Lederbeutel, in dem es metallisch klimperte. Als er sich dem Laranzu erneut zuwandte, erstarrte er.
Arlinda stand nur etwa einen Meter hinter ihm. "Ich habe alles gehört," flüsterte sie. "Trotz unseres ständigen Streites habe ich dich geliebt, Vater, und ich habe geglaubt, du liebst mich auch. Aber ich muß erkennen, daß du zu einem selbstsüchtigen, alten Mann geworden bist. Wofür willst du mich bestrafen? Für den Tod meiner Mutter? Und ihr, Reidel Aldaran von Scathfell, seid kein lizensierter Laranzu. Ich weiß, daß die Mitglieder der Türme für ihre Arbeit keinen Lohn annehmen dürfen. Zu welchem Zweck benötigt ihr also das Geld meines Vaters?"
Jorik ließ den Lederbeutel fallen, der aufprallte und Silbermünzen auf die Steinfliesen spuckte. Er hob die Hände. "Aber ich liebe dich tatsächlich, mein Mädchen," preßte er heraus. Er hatte zuletzt in seiner Kindheit geweint, und so ließ er es trotz des Aufruhrs seiner Gefühle nicht zu, daß Tränen flossen.
Arlinda Gesichtszüge wurden starr. "Nein," sagte sie und wandte sich der Esse zu, in der nur noch wenigen Kohlen schwach glimmten.
Reidel spürte, wie Arlinda ihr Laran konzentrierte. Ihre Wut und ihre Enttäuschung speisten ihre Kräfte. Die Kohlen in der Esse glühten unvermittelt auf und Flammen züngelten empor. Der Laranzu riß die Tür auf, stürzte hinaus, taumelte über die Straße, stolperte und stürzte. Mit seinem Laran nahm er wahr, daß die Flammen bis zum Rauchabzug hinaufschossen, in den Schornstein eindrangen und die Flammensäule in die Schmiede hinein explodierte, sie von einem Augenblick zum anderen ausfüllte und in ein Flammenmeer verwandelte.
Die Fenster im Erdgeschoß des Gebäudes zerplatzen. Der steinerne Rauchabzug und der Schornstein wurden von der Hitzen zerrissen und stürzten in sich zusammen. Durch diese Lücke fanden die Flammen ihren Weg in die Wohnräume, fraßen das Mobiliar, zerbrachen die inneren Trennwände und zersprengten auch hier die Fenster. Eine Hitzewelle strich über Reidel hinweg. Er versuchte, seinen Geist abzuschotten, spürte aber noch wie ein Mensch starb, wie Jorik Leynier von der Feuerwelle gegen die Wand geschleudert wurde und sich dabei das Genick brach. Gegen den Schmerz seiner Tochter konnte er sich rechtzeitig abschirmen. Einem Laranzu konnte der Todeskampf eines Menschen, den er intensiv wahrnahm, den Verstand zerreißen.
Reidel kroch zwei oder drei Meter vorwärts, bevor er sich umdrehte und sich erhob. Das hölzerne Dach des Hauses stand in Flammen. Die Eingangstür war verbrannt, nur rauchende Holzreste lagen zu beiden Seiten der Öffnung, aus der das Feuer züngelte. Eine dunkle Gestalt, deren Hüfte und Brust in Flammen standen, taumelte aus der Tür heraus und stürzte zu Boden.
Der Laranzu umfaßte den Beutel vor seiner Brust. Er wußte, daß der Sternenstein aufglühte, auch wenn er keine Wärme spürte. Die Matrixes entwickelten keine Hitze, auch dann nicht, wenn sie bis zu ihrer Zerstörung beansprucht wurden. Reidel hastete zu dem Körper auf dem Boden, dessen Extremitäten sich langsam verkrümmten, baute mit seinem Laran einen Schutzschild gegen die Hitze des Feuers auf, das in der Schmiede brannte, kniete nieder und löschte mit einer Handbewegung die Flammen, die auf dem Körper Arlindas loderten.
Die Haut Arlindas war schwarz und verbrannt, die Haare verschwunden, die Augen waren stumpf und der Rock der Frau hatte sich mit der Haut zu einer verkrusteten Masse verbunden. Reidel wußte, daß Arlinda nur noch wenige Minuten leben und unter unerträglichen Schmerzen sterben würde. Er hatte diese Situation schon einmal erlebt, als er in dem Turm von Neskaya einen unheilbar erkrankten Bewohner eines Bergdorfes die Schmerzen nahm, indem er ihn sterben ließ, was weder die Heilerin noch die Bewahrerin des Turms gewagt hätten. Es verstieß gegen die Grundsätze der Türme, und so war er als Eidbrecher verbannt worden.
"Ich brauchte das Geld eures Vaters, um in den Trockenstädten ein neues Leben zu beginnen," sagte Reidel in dem Wissen, daß ihn Arlinda nicht hören würde. Er legte seine rechte Hand auf ihre Brust, spürte die verbrannte Haut und brachte das Schlagen ihres Herzens zum Stillstand.
Aus den Nachbargassen eilten Menschen mit Wassereimern herbei, die sie in die brennende Schmiede leerten. In Thendara war es Vorschrift, daß Schmieden freistehend erbaut werden mußten, so daß keine unmittelbare Gefahr bestand, daß das Feuer auf die umliegenden Gebäude übergriff. Der Laranzu blickte auf, als der Dachstuhl donnernd zusammenbrach und Funken aufstieben. Diejenigen, die dem Feuer am nächsten waren, wichen zurück. Reidel sprang auf, nahm einen zurückgelassenen Holzeimer an sich und rannte in die Gasse, die linkerhand der brennenden Schmiede begann.
Nach der ersten Einmündung warf er den hölzernen Eimer weg, nach der dritten versteckte er sich unter dem Treppenpodest des ersten Hauses auf der rechten Straßenseite. Er atmete keuchend. Sein Auftritt bei Arlinda und Jorik Leynier hatte ihn nichts gewinnen lassen. Was also blieb ihm noch? Sich der Garde von Thendara zu stellen? Nun, das war die letzte Möglichkeit. Reidel Aldaran von Scathfell kroch unter dem Treppenpodest hervor und eilte in die beginnende Nacht davon.