Der erste
Abschnitt des ersten Bandes der HELLICONIA-Trilogie, HELLICONIA: FRÜHLING,
zeigt bereits, zu welcher Komplexität dieser Weltentwurf des englischen
Autors Brian W. Aldiss gelangen sollte. Geschildert wird das Leben Yulis,
der als Junge in der Eiswüste Helliconias durch einen Angriff der Phagoren
seine Eltern verliert, in die unterirdische Stadt Pannoval gelangt,
dort zum Priester aufsteigt, mit einigen Gefährten flieht und sich zum
Herrscher einer kleinen Siedlung – Oldorando – aufschwingt.
Bemerkenswert ist
vor allem die Schilderung der großen unterirdischen Stadt Pannoval,
die den Ideenreichtum der Trilogie andeutet. Die eisige Oberfläche Helliconias
wird als lebensfeindlich dargestellt. Die Menschen, die auf ihr leben,
können nur mit größten Mühen ihre Existenz sichern.
Die
HELLICONIA-Trilogie besteht aus den Bänden FRÜHJAHR, SOMMER und WINTER,
die Anfang bis Mitte der achtziger Jahre entstanden sind und zusammen
etwa 1.700 Seiten umfassen. HELLICONIA: FRÜHJAHR wurde 1983 mit dem JOHN
W. CAMPBELL MEMORIAL AWARD sowie mit dem BRITISCH SCIENCE FICTION AWARD
und ein Jahr später mit dem KURD LAßWITZ-Preis als bester ausländischer
Roman ausgezeichnet; den übrigen Romanen der Trilogie blieben Auszeichnungen
versagt. Die HELLICONIA-Trilogie stellt die umfangreichste Arbeit in dem
Werk Brian W. Aldiss' dar.
Helliconia ist kein
Eisplanet, wie nach dem ersten Teil des ersten Bandes der Trilogie vielleicht
zu vermuten ist. Das Sonnensystem Helliconias wird von Freyr beherrscht,
einem Stern mit der etwa fünfzehnfachen Masse und der sechzigtausendfachen
Lichtstärke unserer Sonne. Helliconia und seine drei Nachbarplaneten rotieren
freilich nicht um Freyr, sondern um Batalix, einem sonnenähnlichen, nur
etwas schwächeren Stern, der vor etwa acht Millionen Jahren in das Gravitationsfeld
Freyrs geriet und seinen bisherigen Begleiter ersetzte.
Das Batalix-System
benötigt 1.825 Helliconia- bzw. 2.592 Erdjahre für eine Umlauf um Freyr
– das sogenannte Große Jahr. Ein Kleines Jahr entspricht 480 Erdtagen
und damit den Zeitraum, den eine Umkreisung Helliconias um Batalix in
Anspruch nimmt. Da Batalix deutlich schwächer als Freyr ist, werden die
Jahreszeiten auf Helliconia von letzterem bestimmt: Sie umfassen Jahrhunderte
und sind extrem, denn der Abstand zwischen dem Batalix-System auf seiner
eliptischen Bahn und Freyr schwankt zwischen 236 und 740 Astronomischen
Einheiten (eine Astronomische Einheit ist die mittlere Entfernung zwischen
der Erde und der Sonne: etwa 150 Millionen Kilometer bzw. 8,5 Lichtminuten).
So umfaßt der Winter auf Helliconia fünf Jahrhunderte!
Der
zweite Teil von HELLICONIA: FRÜHLING ist erkennbar in der Jahreszeit angesiedelt,
die dem Roman den Titel gab. Der Handlungsschauplatz ist Oldorando, jedoch
einige Jahrzehnte nach dem Tode Yulis. Der Herrscher Oldorandos, gleichzeitig
der Großvater des jungen Laintal Ay, stirbt, den Machtkampf um seine Nachfolge
entscheidet der erfahrene Jäger Aoz Roon für sich. Oldorando hat sich
diverser Phagorenangriffe zu erwehren. Die Phagoren, die Ancipitalen,
sind die zweite intelligente Spezies auf Helliconia. Sie ähneln aufrechtgehenden
Stieren und sind an die Kälte wesentlich besser angepaßt. Die Phagoren
haben ein gänzlich anderes Weltbild und eine andere Kultur als die Menschen,
woraus eine andauernde Feindschaft resultiert.
Durch
den einsetzenden Frühling erlebt Oldorando einen Aufschwung in vielfacher
Hinsicht (Bevölkerung, Wirtschaft, Wissenschaften). Freilich schleichen
sich dabei einige Unplausibilitäten in die Handlung ein: Verschiedene
Auswirkungen des helliconischen Frühjahrs wie das vollständige Schmelzen
der Schneedecke und das Erwachen der Flora und Fauna aus ihrem Winterschlaf
spielen sich in ausgesprochen kurzen Zeiträumen von nur wenigen Monaten
bis Jahren ab. Auch das intellektuelle und soziale Niveau steigt sprunghaft
an. Die Emanzipation der Frau wird unvermittelt zum Thema. Shay Tal, das
weibliche Pendant Aoz Roons, gründet gar eine Akademie des Wissens. Deren
(weibliche) Mitglieder sind in der Lage, Meteore als solche zu erkennen
und gar ein Modell des Batalix-Systems anzufertigen, obwohl es den Menschen
lediglich gelang, während des jahrhundertelangen Winters handwerkliche
Grundkenntnisse zu bewahren.
Aldiss vermittelt die
Informationen über Helliconia, über die seine Protagonisten aufgrund ihres
eingeschränkten physischen und intellektuellen Horizontes nicht verfügen
können, nicht nur über deskriptive Passagen, sondern auch über die Beobachtungsstation
AVERNUS, die Helliconia umkreist. Die AVERNUS ist ein Produkt der Erde,
bemannt, beobachtet und sammelt Informationen über Helliconia. Mehr offenbart
HELLICONIA: FRÜHJAHR über der Verbindung der AVERNUS zur Erde noch nicht,
fügt dem HELLICONIA-Zyklus aber einen weiteren, nicht unwichtigen Aspekt
hinzu.
Bevor Oldorando in
dem Angriff einer Phagorenarmee untergeht, werden seine Bewohner von einer
weiteren Geißel gequält: dem Knochenfieber. Das Knochenfieber ist eine
Epidemie, die vom Helico-Virus ausgelöst wird, der den Hypothalamus der
Helliconia-Menschen befällt, die Erkrankten in das Koma fallen und an
Magersucht leiden läßt. Obwohl etwa die Hälfte der Bevölkerung dieser
Seuche zum Opfer fällt, ist sie für das Überleben der Menschen unabdingbar,
denn das Knochenfieber bewirkt durch die Reduzierung des Körpergewichtes
ihre Anpassung an den bevorstehenden heißen Sommer. Ebenso wird das Helico-Virus
für ihre Anpassung an den (zu diesem Zeitpunkt der Handlung noch fernen)
Winter sorgen.
Auch diese Informationen
werden dem Leser über die AVERNUS vermittelt; sie machen trotz der erwähnten
Unstimmigkeiten in HELLICONIA: FRÜHJAHR deutlich, mit welcher Sorgfalt
und Detailgenauigkeit Helliconia entworfen wurde.
In
HELLICONIA: SOMMER, das etwa 90 Jahre vor dem Beginn des Hochsommers spielt,
haben sich auf Helliconia eine Reihe von Staaten herausgebildet. Der Planet
weist drei Kontinente auf: Den Nordkontinent Sibornal, der auch den Nordpol
mitsamt Eiskappe umfaßt, den Südkontinent Hesphagorat einschließlich Südpol
und Eiskappe und zwischen ihnen Campannlatt. Letzterer ist mit Sibornal
durch eine Landbrücke verbunden, nicht jedoch mit Hesphagorat. Die staatliche
Ordnung von Sibornal ist unkompliziert; es existieren zwar eine Reihe
von Einzelstaaten, die jedoch einheitlich handeln (Informationen über
den sibornalischen Gesamtstaat enthält HELLICONIA: SOMMER nicht). Campannlatt
ist in mehrere Königreiche zersplittert, von denen Oldorando, Pannoval
und Borlien die wichtigsten sind. Hesphagorat und seine Staaten spielen
in keiner Phase der HELLICONIA-Trilogie eine Rolle.
Das Königreich Borlien
gerät durch äußere Feinde in Bedrängnis, eine Entwicklung, die ihren Höhepunkt
erreicht, als während eines Feldzuges des König von Borlien, JandolAnganol,
(primitive) Schußwaffen gegen ihn eingesetzt werden – ein auf Helliconia
bislang einmaliges Ereignis. JandolAnganol sucht daraufhin den Anschluß
an das mächtigere Oldorando, und zwar durch die Heirat mit der oldorandischen
Prinzessin Simoda Tal, die noch nicht dem Kindesalter entwachsen ist.
Freilich ist JandolAnganol noch mit seiner ersten Frau, MyrdalemInggala,
verheiratet und benötigt für seine Scheidung die Zustimmung höchster religiöser
Würdenträger.
HELLICONIA:
SOMMER ist der komplexeste und umfangreichste Band des Zyklusses. Er schildert
nicht nur den Kampf JandolAnganols um sein Überleben und das seines Königreiches,
das durch nicht nur durch seine Feinde, sondern auch durch seine Unflexibiltät
gefährdet ist, die Scheidung des Königs, die Ermordung seiner Braut, seine
Reise nach Oldorando, seine Intrigen, die ihn zunächst an den Rand des
Todes, letztendlich aber die Herrschaft auch über Oldorando bringen (zwar
mit Hilfe seiner Phagoren-Garde, deren Motive aber unverständlich bleiben).
Auch erzähltechnisch ragt HELLICONIA: SOMMER aus der Trilogie heraus:
Aldiss arbeitet in einem erheblichen größeren Umfang mit Rückblenden als
noch in HELLICONIA: FRÜHLING.
Weitere Handlungsebenen
baut Aldiss zudem mit MyrdalemInggala, dem borlienischen General TolramKetinet,
einem Getreuen der (ersten) Königin Oldorandos, dem borlienischen (Ex-)
Kanzler und Gelehrten Sartorilrvrash, einer sibornalischen Expeditionsflotte,
die JandolAnganol stürzen soll, und mit Billy Xiao Pin von der AVERNUS
auf. Die Raumstation der Erde wird zu einem wichtigeren Teil der Handlung.
Die AVERNUS sendet ihre Informationen und Aufzeichnungen über Helliconia
zur Erde, wo sie allen Menschen zugänglich gemacht werden, zunächst zu
Unterhaltungszwecken, später zum Studium politischer und biologischer
Zusammenhänge. Die Auseinandersetzungen mit den Phagoren nehmen in HELLICONIA:
SOMMER keinen Raum mehr ein, Oldorando und Pannoval versuchen gar, sie
auszurotten.
Aldiss
gibt in der HELLICONIA-Trilogie seiner Auffassung Ausdruck, daß überlichtschnelle
Raumfahrt nicht möglich ist und erdähnliche Planeten in der Galaxis ausgesprochen
selten sind. Die Menschheit ist ihrer Expansionsphase nur auf einen gestoßen,
nämlich Helliconia. Die Besatzung der AVERNUS wurde nach der Ankunft des
Expeditionsraumschiffes im Freyr/Batalix-System geklont – Helliconia
ist immerhin etwa 1.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Wenn die Datenströme
der AVERNUS die Erde erreichen, geben sie also Ereignisse wieder, die
sich vor einem Jahrtausend auf Helliconia zugetragen haben.
Der AVERNUS ist ein
Eingriff in die politischen und biologischen Abläufe auf Helliconia untersagt,
doch diese Doktrin wird in HELLICONIA: SOMMER aufgeweicht. Auf der Raumstation
wird eine Lotterie veranstaltet, dessen Gewinner auf Helliconia leben
darf. Der Sieg in der Helliconia-Lotterie ist hochbegehrt, obwohl er den
sicheren Tod bedeutet. Während die Helliconia-Menschen eine (zeitweilige)
Immunität gegen den Helico-Virus erwerben, bedeutet er für ein Besatzungsmitglied
der AVERNUS, das ihm ausgesetzt wird, den sicheren Tod. Billy Xiao Pin
ist der Lotterie-Gewinner ist HELLICONIA: SOMMER. Auch seine Abenteuer
bis zu seinem Tod schildert der Roman.
Einen Aspekt des Leben
auf Helliconia vermag die AVERNUS jedoch nicht zu erforschen und zu verstehen,
und zwar die Praxis des Pauk, die Kommunikation der Helliconia-Menschen
mit den Verstorbenen, wofür die HELLICONIA-Trilogie aber ohnehin keine
Erklärung anbietet.
Aldiss
vermeidet in HELLICONIA: SOMMER die Wiederholung seines Fehlers aus dem
ersten Band, nämlich die klimatischen Veränderungen und ihre Auswirkungen
zu schnell ablaufen zu lassen. Die Menschen im helliconischen Frühsommer
ahnen lediglich, daß die Hitze des Sommers noch zunehmen wird und befürchten
teilweise, daß ihre Welt verbrennen wird... Sartorilrvrash erkennt immerhin,
daß die Phagoren von Rinderherden und die Menschen von affenähnlichen
Wesen abstammen. Die Evolution der Menschen wurde ausgelöst, als Freyr
das Batalix-System einfing (was angesichts der fast acht Millionen Jahren,
die dafür zur Verfügung standen, nicht unplausibel ist). Damit wird endgültig
klar, daß die Helliconia-Menschen nicht etwa Kolonisten der Erde sind,
obwohl sie den Erdmenschen verblüffend ähneln. Sartorilrvrash wird jedoch
tragischerweise von religiösen Fanatikern getötet, sein Wissen geht verloren.
Es ist verwunderlich,
warum HELLICONIA: FRÜHLING anstelle des besseren Nachfolgebandes mit Preisen
ausgezeichnet wurde. Es kann lediglich vermutet werden, daß das Konzept
Helliconias prämiert werden sollte, nicht unbedingt die Handlung, die
sich im ersten Band der HELLICONIA-Trilogie abspielt.
Der
dritte Band der Trilogie trägt einen etwas mißverständlichen Titel: HELLICONIA:
WINTER. Der Zeitpunkt der Romanhandlung ist vielmehr der Spätherbst Helliconias,
aber der Winter beendet natürlich das Jahr und damit die Trilogie. HELLICONIA:
WINTER weist ähnlich wie der erste Band der Trilogie einen relativ gradlinigen
Handlungsverlauf auf und unterschreitet die vorangegangenen Romane vom
Umfang her deutlich (um etwa 100 Seiten).
Luterin Shokerandit
ist ein junger Offizier in der Armee Sibornals, die die Streitkräfte Pannovals
vernichtend schlägt. Shokerandit tötet dabei den Oberbefehlshaber der
gegnerischen Armee und nimmt dessen Frau, die Ärztin Toress Lahl, gefangen.
Die siegreiche Armee Sibornals soll bei ihrer Rückkehr vernichtet werden
– der Oligarch von Sibornal hofft damit, das Übergreifen des Fetten
Todes auf den Nordkontinent zu verhindern. Shokerandit und Toress Lahl
können dem Massaker und der Verfolgung durch die sibornalische Armee jedoch
entgehen, auch wenn sie während ihrer Flucht Opfer des Fetten Todes werden,
die Erkrankung aber überleben. Auf dem Landgut der Shokerandits wähnen
sie sich in Sicherheit, bis Luterin Shokerandit den Oligarchen tötet und
in das Rad von Kharnabhar flieht, in dem er zehn Jahren verbringen wird.
Der
Fette Tod ist die zweite Erscheinungsform des Helico-Virus, das genaue
Gegenteil des Knochenfiebers: Die Erkrankten verlieren die Selbstkontrolle
und entwickeln eine Freßgier, die auch vor Kannibalismus nicht Halt macht.
Die Todesrate unter den Erkrankten ist mit der unter den Opfern des Knochenfiebers
identisch; die Überlebenden haben jedoch ihr Körpergewicht verdoppelt
und sind damit – und vor allem ihre Nachkommen – auf den bevorstehenden
Winter vorbereitet. Der Oligarch von Sibornal weiß um den nahenden Winter,
überzieht die Bevölkerung mit repressiven Maßnahmen, ordnet u. a. die
Tötung der Überlebenden des Fetten Todes und der Phagoren an. Ersteres
ist sinnlos, letzteres könnte die Anzahl der Erkrankten etwas verringern,
da die Phagoren tatsächlich die Überträger des Fetten Todes und des Knochenfiebers
sind (durch eine Zecke, die in ihrem Fell lebt). Außerdem werden die Phagoren
aggressiver und richten erstmals seit einigen Jahrhunderten wieder Angriffe
gegen die Menschen.
Breiten Raum nehmen
in HELLICONIA: WINTER den Ereignisse auf der AVERNUS und auf der Erde
ein. Da sie Jahrtausende umfassen, werden sie überwiegend nicht als konventionelle
Handlung, sondern von einem anonymen Erzähler im Berichtsstil dargeboten
(wie es in den ersten beiden Bänden bereits in geringerem Umfang geschehen
ist). Der Zusammenhalt der AVERNUS-Besatzung zerfällt, was nach den vielen
Jahrhunderten ihrer Existenz, in der sie auf ihre Raumstation beschränkt
blieben, nicht verwunderlich ist; nach ihnen stirbt auch die Raumstation,
die Übertragungen an die Erde hören auf.
Die Menschen haben
es nicht geschafft, den ebenfalls nicht unerwarteten Atomkrieg zu vermeiden,
der jedoch erst im fünften Jahrtausend zwischen der Erde und ihren Kolonien
im Sonnensystem ausbricht (eine Gegnerwahl, die nicht sehr innovativ ist).
Die Ökologie der Erde benötigt etwa zwei Jahrtausende, um die Folgen zu
kompensieren, doch es entsteht keine Gesellschaft, die eine Kopie der
zerstörten ist. Die "neuen" Menschen begreifen sich als Teil von Gaia,
der Erde, und versuchen, im Einklang mit ihr zu leben.
Bemerkenswert ist in
HELLICONIA: WINTER das Rad von Kharnabhar. Es ist eine religiöse Kultstätte,
die aus einem in einen Berg gemeißelten steinernen Rad besteht, das 1825
Zellen enthält, die nur von zwei Ein- bzw. Ausgängen aus zugänglich sind.
Die Aufgabe der Gefangenen ist es, daß Rad durch einen Kettenzug zu bewegen.
Eine Umdrehung benötigt zehn Kleine Helliconia-Jahre, danach erst können
die Gefangenen (religiös motivierte Menschen, Straftäter und Gegner der
Herrschenden) das Rad erst wieder verlassen. Das Rad von Kharnabhar ist
eine faszinierende Idee, obwohl der Bau einige Probleme aufgeworfen haben
muß... (Um das Rad aufzunehmen, mußte der Berg ausgehöhlt werden. Das
Rad besteht jedoch offenbar aus einem Felsstück – wie also ist es
eingefügt worden?!)
Das Verhältnis der
Geschehnisse auf Helliconia und auf der AVERNUS sowie auf der Erde mag
im Vergleich zu den ersten zwei Romanen der HELLICONIA-Trilogie unausgewogen
anmuten. Hätte Aldiss diese Handlungsteile aber teilweise in HELLICONIA:
SOMMER verlegt (was zumindest mit dem Geschehen auf der Erde möglich gewesen
wäre), wäre der Roman noch umfangreicher und komplexer geworden.
Der
sehr detailreiche und akribisch ausgearbeitete wissenschaftliche Hintergrund
der HELLICONIA-Trilogie – Aldiss hat, wie er im Vorwort zu HELLICONIA:
SOMMER mitteilt, eine Reihe von Experten verschiedener naturwissenschaftlicher
Disziplinen zu Rate gezogen – ist plausibel, glaubhaft und erscheint
fehlerfrei. Diese Konsequenz zeigt sich beispielsweise in den Epidemien,
die Helliconia zweimal im Laufe eines Großen Jahres heimsuchen. Aldiss
begeht dabei zwar literarischen Massenmord, jedoch sichern erst das Knochenfieber
und der Fette Tod den Bestand der menschlichen Rasse auf Helliconia. Teile
der Flora und Fauna Helliconias muten dagegen zwar etwas exotisch an,
doch wird ihre Funktion in jedem Fall erklärt, sie sind also nicht nur
der Effekte willen geschaffen worden. Die Anhänge im zweiten und im dritten
Band der Trilogie ergänzen die Informationen, die in der Handlung über
Helliconia gegeben werden.
Auch die politischen,
sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich aus den klimatischen
Bedingungen Helliconias ergeben, sind plausibel. Das Welt auf Helliconia
wird in jeder Phase von Religionen beherrscht, die entstehen, sich abwechseln
und untergehen. Die politischen Systeme sind autoritäre Regime, die eine
brutale Machtpolitik betreiben. Das mag für den Leser deprimierend sein,
war in der Historie der Menschen der Erde aber nicht anders (Aldiss räumt
in seinem Nachwort zu HELLICONIA: WINTER sogar ein, daß die Hochzeit zwischen
JandolAnganol und der oldorandischen Kinderprinzessin ein historisches
Vorbild hat): Die HELLICONIA-Trilogie ist nun einmal keine Utopie, sondern
ein Weltentwurf.
Die Einbindung der
Raumstation AVERNUS und der Erde in die Romane dient nicht nur der Bereicherung
der Handlung; Aldiss stellt damit vielmehr zwei Geschichtsmodelle gegeneinander:
Auf der einen Seite den geschlossenen Kreislauf auf Helliconia, der nicht
nur zu kurz ist, um die Entwicklung fortschrittlicher gesellschaftlicher
Systeme, sondern auch von Massenvernichtungswaffen zu ermöglichen. Auf
der anderen die offene Zukunft der Erde, die viele Optionen bereithält,
von der Selbstvernichtung bis zu gänzlich neuen Formen des Zusammenlebens
(wenn man auch das Modell, das Aldiss in HELLICONIA: WINTER präsentiert,
mit einer gewissen Skepsis betrachten kann). Dies ist der einzige utopische
Charakterzug der HELLICONIA-Trilogie.
Aldiss hat in der HELLICONIA-Trilogie
sein Konzept einer Welt mit jahrhundertelangen Jahreszeiten konsequent
und adäquat umgesetzt. Der Versuch, in der Science Fiction nach Vergleichbarem
mit der HELLICONIA-Trilogie zu suchen, wäre vergeblich.
HELLICONIA:
FRÜHLING
HELLICONIA SPRING,
1982, Übersetzung von Walter Brumm, Hohenheim Verlag (Hardcover), 1983
(unter dem Titel HELLICONIA: FRÜHJAHR); Nachdrucke: Heyne BIBLIOTHEK DER
SCIENCE FICTION LITERATUR 50, 1995; Heyne SFTB 4678, 1990; Bechtermünz
Verlag (Hardcover), 1996.
HELLICONIA:
SOMMER
HELLICONIA SUMMER, 1983, Übersetzung von Walter Brumm, BIBLIOTHEK DER
SCIENCE FICTION LITERATUR 51, 1995; Nachrucke: Heyne SFTB 4679, 1990;
Bechtermünz Verlag (Hardcover), 1996.
HELLICONIA: WINTER
HELLICONIA WINTER,
1985, Übersetzung von Walter Brumm, BIBLIOTHEK DER SCIENCE FICTION LITERATUR
52, 1995; Nachrucke: Heyne SFTB 4680, 1990; Bechtermünz Verlag (Hardcover),
1996.
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